"Nur wahre Freunde sind geblieben"

Wie ein 24-Jähriger als Mönch im Kloster lebt

Veröffentlicht am 15.09.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Tholey ‐ Seine Mitbrüder sind deutlich älter und das Leben in der Gemeinschaft hat feste Regeln. Doch das erlebt der 24-jährige Benediktiner-Bruder Maurus als Bereicherung. Gradlinig und konfliktfrei verlief sein Weg ins Kloster deshalb aber nicht.

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Aufstehen täglich um 4.30 Uhr, 14 und 24 Jahre Abstand zu den nächstjüngeren Kollegen und 20 Tage Urlaub in drei Jahren – das klingt nicht unbedingt nach der Beschreibung eines Traumjobs. Um einen Job im eigentlichen Sinne handelt es sich auch nicht, vielmehr um ein Lebensmodell. Emil Marie Kleinbauer hat sein Leben komplett umgekrempelt und widmet sich nun zunächst für drei Jahre dem Klosterleben. Aus Emil Marie wurde Bruder Maurus, 24 Jahre alt und als Mitglied der Benediktinerabtei Tholey derzeit der jüngste Mönch des Zusammenschlusses der Beuroner Kongregation in Deutschland.

Maurus erzählt dazu eine gradlinige Geschichte: "Mit 17 Jahren habe ich meiner Mutter gesagt: Ich will ins Kloster." Erst liebäugelte er mit einer karitativen Gemeinschaft, der zurückgezogene Lebensstil der Benediktiner sagte ihm aber mehr zu. Am 31. Oktober 2018 trat er in Tholey ein – nachdem er "mit Herzklopfen" seinen Job gekündigt, seine Wohnung aufgelöst und Freunde und Familie informiert hatte. "Man muss bereit sein, sein altes Leben aufzugeben und das, was war, hinter sich lassen", sagt er. Außer Finanzen und Verwaltung zu regeln gehöre dazu vor allem, Konflikte mit anderen zu klären – um "frei zu sein".

Aus dem Kinderheim zum Altenpfleger

Gradlinig verlief Maurus' Leben bis dahin nicht: Emil Marie wurde 1996 in Bulgarien geboren. Seine Mutter starb nach der Geburt, von seinem leiblichen Vater weiß er nichts. Zunächst lebte er drei Jahre in einem Kinderheim, bevor er adoptiert wurde und dann bei seiner neuen Familie mit Schwester in einem Dorf in Luxemburg aufwuchs. Dort engagierte er sich als Messdiener, kümmerte sich bei der Tafel um Bedürftige, sang im Kirchenchor. Später arbeitete er als Altenpfleger – gerne, wie er sagt. Erfüllt habe ihn das aber nicht.

Maurus zitiert viel aus den Regeln der Benediktiner; überrascht ihn eine Frage, tippt er mit dem Zeigefinger ans Kinn und überlegt. Den neuen Namen hat der Abt für den jungen Mönch ausgewählt. Er selbst habe zu Emmanuel Marie tendiert, aufgrund der Nähe zu seinem bürgerlichen Namen, sagt der 24-Jährige. Mittlerweile liebe er den Namen und wolle dem Heiligen Maurus, einem Schüler von Ordensgründer Benedikt, nacheifern.

Blick auf die Benediktinerabtei Sankt Mauritius in Tholey
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Zwölf Ordensbrüder leben in der Benediktinerabtei Sank Mauritius in Tholey. Dabei sei nicht immer alles "Friede, Freude, Eierkuchen", sagt Bruder Maurus.

Inzwischen akzeptiere auch seine Familie sein Lebensmodell, habe aber erst nicht verstanden, warum er sich "hinter Klostermauern einsperren" lasse, sagt Maurus. Auch einige Bekannte hätten nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. "Nur wahre Freunde sind geblieben." Er empfinde die Tagesstruktur durch die Gebete als Befreiung, nicht als Eingesperrtsein und fühle sich angenommen in der Gemeinschaft – obwohl seine Mitbrüder deutlich älter sind. Zugleich sagt er: "Ich würde mir jemanden in meinem Alter wünschen, den ähnliche Fragen beschäftigen."

Novizenmeister Bruder Wendelinus (48) kennt die Zweifel, die das Mönchsleben mit sich bringen: "Dein größter Lehrmeister wird deine Zelle sein", gibt er Maurus mit. "Es wird Momente geben, in denen die Wände immer näher kommen. Das haben alle hier erlebt." Lebensfragen blieben niemandem erspart, auch nicht im Kloster. Wer jung Mönch werde, den beschäftige meist der Verzicht auf Familie. Im Kloster müsse zudem jeder einen Weg finden, seine Freiheit zu wahren, ohne individualistisch zu sein. "Die Gemeinschaft hilft dir, aber auseinandersetzen musst du dich selbst", sagt Wendelinus.

Entscheidungen trifft letztlich der Abt

Auch klar: Wo zwölf Personen zusammenleben, entstehen Reibereien. Nicht immer sei alles "Friede, Freude, Eierkuchen", sagt Maurus. Wer Konflikten aus dem Weg gehe, stoße im Kloster an Grenzen, ist er überzeugt. Und: Entscheidungen trifft letztlich der Abt – der dazu verschiedene Positionen abwägen sollte. Die Grenzen der eigenen Entscheidungsfreiheit hat Maurus unlängst bei einer Diskussion um "Eva" und "Goliath" erlebt, seine beiden Kaninchen. Er möchte mit den Riesenschecken züchten, allerdings eigne "Eva" sich dazu nicht – und sollte daher nach dem Willen mancher Mitbrüder "in der Suppe landen".

Zur Zeit kümmert Maurus sich um einen älteren Mitbruder und will eine Ausbildung zum Klosterführer machen. Die kommenden drei Jahre versteht er vor allem als Zeit der Selbstprüfung unter der Leitfrage: "Will ich dieses Leben wirklich?"

Von Anna Fries (KNA)