Himmel und Erde treffen zusammen
Wenn auch nur ein wenig. Mit rund 20 Minuten Verspätung begann am Freitagabend der Festgottesdienst zur Wiedereröffnung des Mariendoms. Ein heftiger Regenschauer verhinderte zunächst, dass Kardinäle und Bischöfe, Priester und Messdiener ohne Schaden vom Bischofshaus zur Kathedrale gelangen. Dann aber kann das Fest beginnen. Drei Mal klopft der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle mit seinem Bischofstab an die ehrwürdige tausend Jahre alte Bernwardstür und bittet um Einlass.
Strahlende Gesichter und freudentränenweinender Himmel
In feierlicher Prozession ziehen die Geistlichen, darunter die beiden emeritierten Erzbischöfe Kardinal Joachim Meisner aus Köln und Robert Zollitsch aus Freiburg sowie der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, dann in den "neuen" Dom ein. Bischof Trelle bringt es locker in der Begrüßung auf den Punkt. Auf dem Domhof habe er in den vergangenen Tagen nur freudig strahlende Gesichter gesehen, sagt er. Und jetzt weine sogar der Himmel Freudentränen.
Schon zwei Stunden zuvor hatte sich die Kirche mit neugierigen Gästen gefüllt - aber eher langsam. Denn, wer die Seiteneingänge durchschreitet, bleibt zunächst einmal stehen. Der Blick geht sogleich nach oben - vor Bewunderung. Die neue Raumwirkung des Mariendoms ist erstaunlich und zaubert ein Lächeln auf die Gesichter der Besucher. Ausgestreckte Finger deuten an die Decke, Smartphones und Fotoapparate blitzen auf. Ein Raunen geht durch das Kirchenschiff.
Proportionen der Kirche wieder sichtbar machen
Hell und freundlich präsentiert sich das zum Unesco-Weltkulturerbe zählende rund 800 Jahre alte Gotteshaus: Weiß sind die oberen Teile der Wände, sandbraun die Pfeiler und der Steinfußboden. Die dunkle Holzdecke ist verschwunden. Stattdessen ist die Betondecke aus der Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg wieder sichtbar - auch sie hell verputzt. Der Fußboden wurde um etwa 30 Zentimeter auf das frühere Originalniveau abgesenkt. Neu sind auch Orgel, Heizung, Elektrik sowie die gesamte Technik. 20 Kilometer schadhafter Fugen an der Außenwand wurden erneuert und vieles mehr.
"Den Raum auffangen und die Proportionen dieses Gotteshauses wieder sichtbar machen", hatte Architekt Johannes Schilling das bei der Vorstellung genannt. An diesem Abend ist es der evangelische Landesbischof von Braunschweig, Christoph Meyns, der treffende Worte findet. Der Hildesheimer Dom sei jetzt ein Bau, "der Himmel und Erde aufeinander bezieht". Und er fügt hinzu: "Hut ab!".
„Keine Modernisierung, kein Facelifting, sondern eine Erneuerung.“
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) überbringt die Glückwünsche "von nahezu 7,8 Millionen Niedersachsen". Er habe vor einem Jahr schon die Baustelle besucht und sich seither auf diesen Tag gefreut. Das Ergebnis sei "keine Modernisierung, kein Facelifting, sondern eine Erneuerung". So werde der Dom für Jahrhunderte wieder den Menschen dienen können, die auf der Suche nach Gott oder sich selbst seien.
Trelle verurteilt "Grausamkeiten an Christen und Jesiden"
Bischof Trelle aber lenkt in seiner Predigt dann den Blick auch gezielt auf die grausamen Nachrichten der vergangenen Tage. Er spüre einen "dunklen Schatten" über dem Ereignis. Im Nordirak würden Christen und Jesiden von verbrecherischen Sektierern verfolgt und getötet. Solch' verbrecherisches Handeln stehe außerhalb jeder zivilisierten Gesellschaft. "Wir hoffen und erwarten, dass weltweit die politisch Verantwortlichen entschlossen gegen diesen Völkermord im Nordirak einschreiten und alles tun, um das Leben der bedrohten Menschen zu retten."
Des Bischofs starke Worte hallen nach - auch nach dem Gottesdienst. Längst hat es aufgehört zu regnen. Auf dem Domhof, wo das Fest bei Jazzmusik, Wein, Saft und Brot noch weit bis nach Einbruch der Dunkelheit weitergeht, wird an diesem Abend auch darüber erregt diskutiert.