Standpunkt

Mehr offene Rede, weniger Hinterzimmer

Veröffentlicht am 14.03.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Bischöfe von Polen und den nordischen Ländern stehen in der Kritik, weil sie den Synodalen Weg in Offenen Briefen kritisieren. Warum eigentlich, fragt sich Felix Neumann: Von der von ihr vielgescholtenen Demokratie könne die Kirche viel lernen.

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Was ist eigentlich an Kirchenpolitik so schlimm? Politik heißt in freiheitlichen Gesellschaften, öffentlich um Positionen zu ringen und zu Ergebnissen zu kommen. Argumente liegen auf dem Tisch, Dissens und und strittige Positionen liegen offen. Wichtiger als der Scheinfrieden fauler Kompromisse sind faire Verfahren und Transparenz.

Dass Fragen der Ausrichtung der Kirche nun auch unter Bischöfen offen angesprochen werden, ist ein Fortschritt und kein Affront. (Als Affront hatte es hier Ulrich Waschki bezeichnet.) Die polnischen wie die nordischen Bischöfe haben ihre Argumente zur Kritik am Synodalen Weg der Kirche in Deutschland offen auf den Tisch gelegt. Beide Positionen lassen sich ihrerseits kritisieren: die Denkfaulheit, die hinter der Argumentation mit dem "Zeitgeist" steckt, bei der nordischen Bischofskonferenz. Die Ignoranz gegenüber Missbrauch bei der polnischen. Aber das Gute ist: Sie lassen sich kritisieren. Weil sie auf dem Tisch liegen, können sie kritisch bewertet und strittig diskutiert werden – wie in der Politik.

In der Kirche ist das nicht selbstverständlich. Dort gilt es als unfein, sich unter Bischofsbrüdern öffentlich kritisch zu äußern. Auch das ist eine Form von Klerikalismus. Der öffentliche Streit, wie man ihn in Demokratien kennt, unterscheidet freiheitliche Systeme von autoritären und monarchischen mit ihren Hinterzimmern und ihrem Antichambrieren in den Vorzimmern der Macht.

Unter Papst Franziskus aber wird "Parlamentarismus" zum Kampfbegriff. Mehrheiten und Minderheiten, die es tatsächlich gibt, sollen nicht in Form strittiger Abstimmungen zum Vorschein treten. "Synodalität" geht leichter von den Lippen als "Parrhesie", die freimütige Rede, und Papst Franziskus füllt die Synodalität klerikal-autoritär: Alle beraten unverbindlich, Dissens gilt als Störung, und am Ende entscheidet der Papst.

Dass die Reformdebatten in der Weltkirche offen geführt werden, bringt die Kirche voran, nicht die Illusion von Einmütigkeit und Brüderlichkeit. Die richtige Reaktion auf offene Briefe aus Polen und den nordischen Ländern ist daher nicht, Haltungsnoten aufgrund der gewählten Form zu verteilen – sondern ebenso offen und klar in die Debatte zu gehen.

Von Felix Neumann

Der Autor

Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und Mitglied im Vorstand der Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.