Kirchenrechtlich ist Schritt fragwürdig

Ukrainischer Erzpriester exkommuniziert russische Angreifer

Veröffentlicht am 15.03.2022 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 

Kiew ‐ Er hat alle russischen Soldaten und alle Verantwortlichen für den Ukraine-Krieg mit dem Bannfluch Anathema belegt: Kirchenrechtlich ist das Vorgehen des ukrainisch-orthodoxen Erzpriester jedoch fragwürdig.

  • Teilen:

Ein erster orthodoxer Geistlicher in Kiew hat den strengsten Kirchenbann gegen die "russischen Eroberer" in der Ukraine ausgesprochen. Erzpriester Petro Semaschuk (45) veröffentlichte am Montag auf der Internetseite seiner Kirchengemeinde Sankt Theodorus und auf YouTube ein Video davon, wie er alle russischen Soldaten mit dem Bannfluch Anathema belegt, die gegen das Gebot "Du sollst nicht töten!" verstoßen, weil sie das Blut Unschuldiger vergössen.

Auch alle, die verbrecherische Befehle erteilten, exkommunizierte der Geistliche der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats. Kirchenrechtlich ist dieser Schritt fragwürdig, weil Häresie (Ketzerei) der einzige Grund für ein Anathema wäre. Zudem müsste dies nach Ansicht von Beobachtern synodal entschieden werden – nicht allein von einem Priester.

Kyrill I. sieht keine Häresie – im Gegenteil

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hatte den Angriffskrieg gegen die Ukraine keineswegs als Häresie bezeichnet. Im Gegenteil: Er rechtfertigte ihn bereits vor gut einer Woche als "metaphysischen Kampf" im Namen "des Rechts, sich auf der Seite des Lichts zu positionieren, auf Seiten der Wahrheit Gottes, auf Seiten dessen, was uns das Licht Christi, sein Wort, sein Evangelium offenbaren". Wiederholt gab der Patriarch dem Westen die Schuld am Krieg. Die russischen Angriffe legitimierte er zudem indirekt damit, Gläubige sollten vor "Gay-Pride-Paraden" Homosexueller geschützt werden.

Am vergangenen Sonntag unterstützte das Kirchenoberhaupt demonstrativ den Chef der in der Ukraine kämpfenden russischen Nationalgarde, General Wiktor Solotow. Er überreichte ihm in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale eine Ikone der Mutter Gottes mit den Worten: "Möge dieses Bild junge Soldaten inspirieren, die den Eid ablegen und den Weg der Verteidigung des Vaterlandes einschlagen."

Solotow antwortete Kyrill laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti, bei der Spezialoperation in der Ukraine gehe nicht "alles so schnell, wie wir es gerne hätten". Doch die Ikone werde die "russischen Streitkräfte schützen und unseren Sieg beschleunigen". Sie ist für die Moskauer Kirche der Nationalgarde bestimmt. Dieser Truppe gehören 340.000 Russen an. (tmg/KNA)