Bischof Overbeck: Austritte können Existenz der Kirche gefährden
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck beschreibt den Zustand der katholischen Kirche mit dramatischen Worten. "Wir stehen mit der Katholischen Kirche nicht nur am Abgrund, sondern sind bereits weit in den Abgrund geraten", sagte er dem aktuellen Magazin "Bene" des Ruhrbistums. Die Gefahr sei groß, dass die Zahl der Kirchenaustritte ein Ausmaß annehme, das existenzgefährdend für die Kirche sei.
Zu der Situation habe vor allem der Skandal des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker geführt. "Die Verbrechen haben zu tun mit grundsätzlichen Missständen in der Katholischen Kirche", sagte Overbeck. Der Vertrauensverlust sei inzwischen enorm. "Selbst viele, die sich lange Zeit nicht vorstellen konnten, die Kirche zu verlassen, sind gegangen oder denken über den Abschied nach." Dem könne nur noch "eine radikale Erneuerung" entgegengesetzt werden.
"Exemplarisch für ein großes Desaster"
Das Gutachten des Erzbistums München und Freising hat laut Overbeck einen besonders erschreckenden Fall eines Essener Priesters beschrieben, der unzählige Kinder über Jahre hinweg an verschiedenen Orten missbraucht hat. "Dieser Fall steht exemplarisch für ein großes Desaster." Eine eigene Studie zum sexuellen Missbrauch in der Geschichte des Ruhrbistums werde im Laufe dieses Jahres wahrscheinlich auch zeigen, "dass es bei uns ähnlich war wie anderswo: Unter dem Deckmantel von Religion und Glaube sind Verbrechen geschehen". Aber für die die Betroffenen der sexuellen Gewalt habe sich niemand interessiert. "Alles drehte sich um den Schutz der Kirche und ihrer übergriffigen Priester", so der Bischof.
Das Amt in der katholischen Kirche braucht nach den Worten Overbecks "Demut, Menschlichkeit und auch Kontrolle in der Machtausübung". Die Kirche dürfe Menschen nicht mehr kleinmachen. "So hat zum Beispiel die rigide Sexualmoral Verletzungen und Gewissensnöte ausgelöst – und Menschen ausgegrenzt", schreibt der Bischof. "Ich mache mich stark für eine Kirche, die anders wird – in der sich Menschen sicher fühlen, in der es ein gleichberechtigtes Miteinander gibt und niemand fürchten muss, aufgrund seines Geschlechtes, seiner sexuellen Identität oder seines persönlichen Familienstands verurteilt oder benachteiligt zu werden." (KNA)