Nachfolgerin für Johannes-Wilhelm Rörig gefunden

Bundesregierung hat eine neue Missbrauchsbeauftragte

Veröffentlicht am 30.03.2022 um 13:50 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Über viele Jahre war Johannes-Wilhelm Rörig Beauftragter der Bundesregierung für das Thema sexueller Missbrauch – und hatte somit auch mit den Kirchen zu tun. Jetzt wurde eine Nachfolgerin ernannt, die selbst Betroffene ist.

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Kerstin Claus (52), Journalistin und Mitglied im Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen, ist neue Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung. Am Mittwoch stimmte die Bundesregierung ihrer Ernennung zu. Sie solle das Amt am 1. April für fünf Jahre übernehmen, teilte Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) mit. Claus folgt Johannes-Wilhelm Rörig nach, der sein Amt Ende Februar niedergelegt hatte. Claus hatte als Journalistin ihren eigenen Fall als Opfer sexuellen Missbrauchs in der evangelischen Kirche öffentlich gemacht. Sie war in den vergangenen Jahren auch Mitglied im Betroffenenrat, der den Missbrauchsbeauftragten berät.

Die Bundesregierung richtete das Amt eines Missbrauchsbeauftragten nach dem Bekanntwerden des Missbrauchsskandals im Jahr 2010 ein. Erste Beauftragte war die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD), die sich weiter in der bundesweit tätigen Aufarbeitungskommission gegen Missbrauch engagiert. Ab 2011 hatte Rörig das Amt inne, der als politischer Beamter in das Familienministerium zurückkehrte. Rörig initiierte die unabhängige Aufarbeitungskommission und richtete den Betroffenenrat ein. Als erste Institution in Deutschland hatte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit Rörig eine Vereinbarung zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch abgeschlossen und unterzeichnet.

"Keine bessere, keine wichtigere und keine lohnendere Arbeit"

Claus hatte 2018 als erste Betroffene bei einer Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gesprochen und die Kirche zu mehr Aufarbeitung der Fälle und Hinwendung zu den Opfern aufgefordert. Zudem ist sie Mitglied der Grünen und kandidierte bei der vergangenen Landtagswahl in Rheinland-Pfalz für die Partei, verpasste aber den Einzug in den Landtag.

In einem ersten Statement erklärte Claus, sie könne sich mit Blick auf den Kampf gegen sexualisierte Gewalt "keine bessere, keine wichtigere und keine lohnendere Arbeit" vorstellen. Ihre Aufgabe sei es, den Verantwortlichen "immer wieder vor Augen zu führen, was getan werden kann, was verbessert werden muss". Sexualisierte Gewalt sei in der Gesellschaft "fest verankert". Das müsse politisch und gesellschaftlich wahrgenommen werden. Bundesfamilienministerin Spiegel bezeichnete Claus als "Kämpferin und wichtige Verbündete" im Kampf gegen Missbrauch. Sie betonte zugleich, dass sie zusammen mit Claus noch in diesem Jahr eine Informations- und Sensibilisierungskampagne starten wolle.

Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, sagte Claus eine weitere konstruktive Zusammenarbeit zu. Er wolle "ein verlässlicher Gesprächspartner seitens der Bischofskonferenz für Sie sein". (tmg/cbr/KNA/epd)

30.3., 14:30 Uhr: Ergänzt um erste Statements von Claus und Spiegel. 18:15 Uhr: Ergänzt um Reaktion von Ackermann.