Erzbischof in NS-Zeit: Kein einfaches Urteil zu Conrad Gröber
Die Debatten um die Bewertung der Lebensleistung von Erzbischof Conrad Gröber (1872-1948), der die Diözese Freiburg während des nationalsozialistischen Unrechtsregimes leitete, verlaufen in auf- und abschwellenden Wellen. Zumeist ist es inzwischen ruhig geworden um den im Volksmund als "braunen Conrad" titulierten Kirchenführer. Zuletzt brandeten die Vorwürfe wegen Nazi-Kollaboration und Antisemitismus wieder stürmisch auf. Beispielsweise mit dem neuen Vorwurf, Gröber habe eine Jüdin an die Nazis verraten.
Muss der charismatische Prediger also als Antisemit oder als Unterstützer von Untergrundhilfsaktionen für Juden in Erinnerung bleiben? Oder vielleicht als einer der wenigen Kirchenführer, der früh gegen die systematische Euthanasie-Mordaktion an Behinderten, konkret gegen die Verschleppung von Kranken im südbadischen Emmendingen protestierte?
Unschärfen bleiben
Auch zum 150. Geburtstag Gröbers am 1. April bleiben Unschärfen, bleibt Gröber eine widersprüchliche Persönlichkeit, für die es am Jahrestag indes keine offizielle Gedenkveranstaltung geben wird.
Gröber stammte aus einer Meßkircher Handwerkerfamilie. Auf Jungenkonvikt und Gymnasium in Konstanz folgte das Theologiestudium in Freiburg. Schließlich der Wechsel ins renommierte Germanicum-Seminar nach Rom, wo Gröber 1897 zum Priester geweiht wurde und 1898 promovierte. Damit stand ihm eine Kirchenkarriere bevor.
Zunächst war Gröber Gemeindepfarrer in Ettenheim und Karlsruhe, dann Münsterpfarrer in Konstanz und Domkapitular in Freiburg - und einer der ersten Rundfunkprediger. Er wusste durch fesselnde Predigten das neue Medium massentauglich zu nutzen. Auch dank seiner Kontakte zum damaligen Papstbotschafter in Deutschland Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., folgte 1931 Gröbers Ernennung zum Bischof von Meißen.
Doch schon ein Jahr später wechselte Gröber als Freiburger Erzbischof zurück in seine Heimat im Südwesten. In einer, wie Diözesanarchivar Christoph Schmider erläutert, kirchenrechtlich umstrittenen und einmaligen Aktion. Denn das Freiburger Domkapitel wurde in dieser Personalie schlicht übergangen.
Doch Gröber gewann sein Kirchenvolk schnell. Bei seinen teils zweistündigen Predigten gab es im überfüllten Münster keinen freien Sitzplatz mehr. Zeitzeugen schwärmten von Gröbers menschenzugewandtem Charakter. Zugleich war der Erzbischof launisch und egozentrisch.
Dann jedoch der zivilisatorische Bruch von 1933. Gröber hoffte nach Hitlers Machtergreifung auf eine kirchliche Kooperation mit den Nationalsozialisten. Und trat dem Förderverein der SS bei. In seinen Predigten nutzte er antisemitische Sprachbilder, Klischees und Verunglimpfungen - sogar noch im Hirtenbrief zum Kriegsende im Mai 1945.
Der Heidenheimer Historiker Wolfgang Proske verweist darauf, dass Gröber anordnete, kirchliche Gebäude bei "vaterländischen Anlässen" mit der Hakenkreuzfahne zu beflaggen. Auch im Religionsunterricht sei der Hitlergruß üblich gewesen. Umgekehrt seien südbadische Nazigrößen bei katholischen Prozessionen mitmarschiert.
Andererseits unterstützte der Erzbischof die Caritas-Aktivistin Gertrud Luckner bei ihren Rettungsaktionen für zum Christentum konvertierte Juden. Im Nazi-Hetzblatt "Der Alemanne" folgten Angriffe gegen den Kirchenmann, weil dieser den katholischen Glauben über die NS-Ideologie stelle. Die Gestapo gab zu Protokoll, dass Gröber in Predigten das deutsche Volk verrate und der NS-Rassenideologie widerspreche. In der Silvesterpredigt 1939 griff Gröber Hitler selbst an, der sich an die Stelle Gottes setzen wolle.
Und auch Gröbers Proteste gegen das NS-Euthanasie-Mordprogramm stießen den Machthabern unangenehm auf. Ein direktes Vorgehen gegen den Kirchenmann wagten sie bis zuletzt nicht. Genauso wenig wie Gröber zum Widerstand gegen den Verbrecherstaat aufrief.
Keine Umbenennung von Gröber-Straße in Freiburg
Zuletzt präsentierte Historiker Proske neu entdeckte Dokumente, die aus seiner Sicht belegen, dass Gröber 1936 und noch einmal im Jahr 1938 die mit ihm bekannte Konstanzer Juristin Irene Fuchs bei den NS-Machthabern als "rachenehmende Jüdin" denunziert und damit in Lebensgefahr gebracht habe.
Hintergrund der beiden Briefe war ein Artikel in der NS-Zeitung "Der Stürmer", in dem es hieß, Gröber habe ein sexuelles Verhältnis mit Fuchs. Gröber wies die Anschuldigungen öffentlich zurück. Proske interpretiert nun die beiden Briefe als Versuche Gröbers, Fuchs auf dem kurzen Dienstweg aus dem Weg zu schaffen. Andere Historiker sehen diese Lesart kritisch. Denkbar sei beispielsweise auch, dass die Dokumente von kircheninternen Rivalen Gröbers bewusst den NS-Machthabern zugespielt worden seien, um Gröber zu schaden.
Die Stadt Freiburg hat ihren Umgang mit Gröber in den vergangenen Jahren umfassend aufgearbeitet. 2016 entschied eine Historikerkommission, dass die nach Gröber benannte schmale, kaum 100 Meter lange Straße im Schatten des Münsters nicht umbenannt werden muss. Stattdessen gibt es dort nun ein erklärende Zusatzbeschilderung: "Gröber unterstützte 1933/34 den Nationalsozialismus, später entschiedener Verteidiger der Kirche gegen den Nationalsozialismus."