Bischof Kohlgraf rechnet für lange Zeit nicht mit Priesterinnen
Peter Kohlgraf ist als Nachfolger von Kardinal Karl Lehmann seit 2017 Bischof von Mainz. Beim katholischen Reformdialog Synodaler Weg ist er Mitglied im Synodalforum "Priesterliche Existenz heute". Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag machte Kohlgraf deutlich, dass es nach seiner Einschätzung katholische Priesterinnen auf absehbare Zeit nicht geben wird. Kohlgraf forderte aber eine Änderung des Katechismus beim Thema Homosexualität. Der 55-jährige Theologe ist auch Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz.
Frage: Herr Bischof Kohlgraf, am Synodalen Weg gibt es fundamentale Kritik. Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke hat seine Ansicht bekräftigt, dass der Prozess eine "Täuschung" sei. Es gehe den Bischöfen darum, "Kritik-Hochdruck durch Gesprächsarrangements abzuleiten, indem sich Laien irgendwie beteiligt fühlen sollen, ohne entscheiden zu können". Hat er Recht?
Kohlgraf: Er hat das Recht, als Theologe seine Meinung zu sagen. Aber ehrlich gesagt: Es ist viel zu anstrengend, vier Jahre lang diesen Synodalen Weg zu gehen, ohne die Leute ernst zu nehmen. Dafür ist die Zeit zu kostbar. Ich habe von Anfang an sehr nüchtern gesagt, dass ich bei einigen Themen nicht die Chance auf eine schnelle Veränderung sehe – etwa im Hinblick auf Frauenordination.
Frage: Bei der dritten Vollversammlung in Frankfurt wurde aber nicht nur die Forderung, das Frauendiakonat wieder einzuführen, mit einer großen Mehrheit auch der Bischöfe verabschiedet – auch ein Text über die Beteiligung der Frauen am gesamten Weiheamt. War das historisch?
Kohlgraf: Historisch ist sicher, dass wir über diese Themen so diskutieren können wie wir das tun – und am nächsten Tag nicht mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
Frage: Wann wird es katholische Priesterinnen geben?
Kohlgraf: Sicherlich nicht kurzfristig.
Frage: Was heißt das genau?
Kohlgraf: Ich glaube, dass ich es in meiner Amtszeit als Mainzer Bischof nicht mehr erleben werde.
Frage: Sie sind mit 55 Jahren ein recht junger Bischof und können noch gut 20 Jahre im Amt sein, denn gewöhnlich bieten Bischöfe mit 75 ihren Rücktritt an. So lange könnte es also weiter nur Männer als Priester geben?
Kohlgraf: Manchmal gehen Prozesse in der Kirche schneller, als sich manche das vorstellen können. Ich würde in der Kirche nie nie sagen. Wenn es gute Gründe gibt – und die gibt es wohl –, Frauen zu weihen, dann darf man das Thema nicht vom Tisch wischen.
Frage: Aber letztlich entscheidet sowieso der Papst.
Kohlgraf: Ein Papst muss die Weltkirche zusammenhalten, und Teile der Weltkirche sehen das komplett anders als wir. Bei dem von Papst Franziskus angestoßenen weltweiten synodalen Prozess werden wir uns vielleicht noch wundern, welche Sichtweisen andere Teile der Weltkirche haben. Ich glaube zugleich, dass die Themen, die wir beim Synodalen Weg behandeln, keine spezifisch deutschen Themen sind.
Frage: 1999 riskierte der Limburger Bischof Franz Kamphaus sein Bischofsamt, als er sich mit seiner Position zur Schwangerschaftskonfliktberatung gegen den damaligen Papst Johannes Paul II. stellte. Sind die deutschen Bischöfe heute gegenüber Rom mutig genug? Warum riskiert nicht ein einziger deutscher Bischof einen Schritt, der ihn sein Amt kosten könnte, etwa, indem er eine Frau zur Priesterin weiht, und sagt: Mal sehen, was jetzt passiert?
Kohlgraf: Ich kann Ihnen sagen, was dann passiert. Das ist im Kirchenrecht eindeutig festgelegt: Würde ich eine Frau zur Priesterin weihen, wäre ich mit dieser Weihe mein Amt los und die Weihe würde nicht als gültig anerkannt. Das wäre kirchenspalterisch, weil ein solcher Schritt ausdrücklich gegen das Kirchenrecht verstößt. Die Frau, die ich geweiht hätte, hätte auch nichts davon, weil sie exkommuniziert wäre und ihr Amt nicht ausüben dürfte. Wem wäre damit gedient?
Frage: Sie wollen eine Neubewertung der Homosexualität. Sollte man diesbezüglich auch den Katechismus der Katholischen Kirche ändern?
Kohlgraf: Ja. Man müsste eine Mehrdimensionalität von Sexualität und Partnerschaft formulieren. Wenn ich Sexualität nur auf den Zeugungsakt konzentriere, ist das eine sehr verengte Sicht auf menschliche Sexualität. Schätzt man andere Dimensionen mehr wert, kann man auch nicht-heterosexuelle Veranlagungen und Lebensformen anerkennen, gerade auf der Grundlage der humanwissenschaftlichen Erkenntnisse.
Frage: Haben Sie weitere Änderungsvorschläge für den Katechismus?
Kohlgraf: Dass man diesen Menschen "mit Mitleid" begegnen muss – das sollte raus. Das ist eine Bewertung, die solche Menschen als defizitär beschreibt. Vielleicht sollte man den ganzen Katechismus in seinem sittlich-moralischen Teil durchgehen. Man muss neue Formulierungen finden, die positiv eine katholische Haltung begründen – so wie das dem Papst 2016 in seinem Schreiben "Amoris laetitia" gelungen ist, als er sich mit Fragen zu Ehe und Familie auseinandersetzte. Der Katechismus braucht ein entsprechendes "Update".
Frage: Der Synodale Weg wurde letztlich wegen des Missbrauchsskandals begonnen. Im Oktober 2020 hatte der Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber eine Zwischenbilanz seiner Untersuchung von Missbrauchsfällen im Bistum Mainz vorgelegt. Wann rechnen Sie mit der Präsentation des Abschlussberichts?
Kohlgraf: Wir rechnen im Spätherbst damit.
Frage: Nach allem, was Sie als Mainzer Bischof jetzt schon wissen: Müssen die Katholiken damit rechnen, dass Ihren Vorgängern Kardinal Lehmann und Kardinal Volk gravierende Fehler oder sogar Vertuschungen vorgeworfen werden?
Kohlgraf: Warten wir den Bericht ab. Hilfreich fand ich den Satz des Luxemburger Kardinals Jean-Claude Hollerich, der im Umgang mit Missbrauch in der katholischen Kirche weltweit ein strukturelles Versagen sieht. Insofern wäre es erstaunlich, wenn das Bistum Mainz ein heiliges gallisches Dorf gewesen wäre.