46 künftige Pastoralräume im Bistum Mainz – "Seelsorge im Team"

Bischof Kohlgraf: Kleinteilige Pfarreistrukturen sind unzeitgemäß

Veröffentlicht am 13.04.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Mainz ‐ Nach Ostern beginnt im Bistum Mainz eine grundlegende Pfarreienreform: Aus 46 neuen Pastoralräumen sollen bis 2030 insgesamt 46 neue große Pfarreien im Bistum hervorgehen. Im Interview spricht Bischof Peter Kohlgraf über den "Pastoralen Weg".

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Aus 46 neuen Pastoralräumen, die Ende April im Bistum Mainz errichtet werden, sollen bis zum Jahr 2030 insgesamt 46 neue große Pfarreien hervorgehen – also Netzwerke von Gemeinden und Kirchorten. Die Gründung der Pastoralräume dient als Vorstufe zur Gründung von neuen Pfarreien. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf – der Professor für Pastoraltheologie ist – gilt als Experte für Fragen der Seelsorge. Im Interview spricht er über Chancen und Risiken des "Pastoralen Weges" seines Bistums.

Frage: Herr Bischof Kohlgraf, das Bistum Mainz steht vor tiefgreifenden Veränderungen in der Struktur der Seelsorge. Anfang Januar hatten Sie die künftigen 46 Pastoralräume im Bistum und deren jeweilige Leiter benannt. Aus diesen 46 neuen Netzwerken von Gemeinden und Kirchorten sollen dann am Ende 46 große Pfarreien werden. Bis wann soll dies geschehen

Kohlgraf: Bis 2030 sollen die neuen Pfarreien gegründet sein. In manchen Regionen ist der Prozess schon fortgeschritten, andere werden – auch emotional – länger brauchen.

Frage: Wann ist die erste Neugründung einer solchen großen Pfarrei angedacht?

Kohlgraf: Das ist für das Jahr 2024 vorgesehen.

Frage: Ab wann genau werden die neuen 46 Pastoralräume errichtet – es hieß bislang "ab Ostern"?

Kohlgraf: Am 28. April werden die 46 neuen Pastoralräume offiziell errichtet, das wird der "Startschuss". An diesem Tag wird es einen Osterempfang des Bistums in Mainz geben, anstelle des coronabedingt abgesagten Neujahrsempfangs. Dazu laden wir rund 200 Vertreterinnen und Vertreter aus dem gesamten Bistum ein, und die 46 Leiter der Pastoralräume. Am 12. Juni wird es in Mainz außerdem eine Art Richtfest geben, eine Auftaktveranstaltung der zweiten Phase des Pastoralen Weges unter dem Motto "Ich baue dir ein Haus" (2 Sam 7,27).

Frage: Bisher existieren 134 "Pfarrgruppen" und "Pfarreiräume" im Bistum Mainz.

Kohlgraf: Ja, die Namen sind auch deshalb unterschiedlich, weil es bislang keine wirklich feste Struktur gab. Unser Ziel ist es, durch die neuen Pfarreien auch eine einheitliche Struktur zu schaffen. Durch diese größeren Pfarreien mit jeweils einem Pfarreirat und einem Verwaltungsrat werden wir auch eine schlankere Verwaltungs- und Rätestruktur schaffen.

Frage: Sie schrieben, alle 46 neuen Pastoralräume beruhten auf Vorschlägen, die in den 20 Dekanaten entwickelt und abgestimmt worden seien. Werden die Dekanate nun aufgelöst?

Kohlgraf: Ja, die Dekanate werden aufgelöst. Der eigentliche Raum der Seelsorge werden die Pastoralräume, und später die neuen Pfarreien sein: Anstelle der 20 Dekanate wird es die 46 neuen Pfarreien geben, die dann durch Teams geleitet werden.

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Frage: Der Leiter jedes Pastoralraumes wird aber jeweils ein Pfarrer sein ...

Kohlgraf: Der Pfarrer leitet, aber er leitet im Team. Es geht nicht darum, dass der Pfarrer wie ein Monarch alles dominiert, sondern Verantwortung für Bereiche an Hauptamtliche und auch an Ehrenamtliche abgibt.

Frage: Was machen die Koordinatoren und Koordinatorinnen, die es außer dem Pfarrer in jedem Pastoralraum geben soll?

Kohlgraf: Die Koordinatoren sollen die für den jeweiligen Pastoralraum prägenden Themen mit entwickeln und bei der Teamwerdung helfen. Die Koordinatoren müssen wir auch erstmal finden, da sind wir teilweise noch auf der Suche. Das werden zum Teil auch Stellen für die ehemaligen Dekanatsreferentinnen und –referenten sein.

Frage: Sie haben gesagt, dass künftig nicht jede Gemeinde alles machen muss. Was meinen Sie damit?

Kohlgraf: Die Mainzer Innenstadtkirchen etwa sortieren sich gerade neu. Der Dom zum Beispiel ist zwar nicht die Pfarrkirche, aber ein wichtiger Kirchort. Der Dom könnte ein musikalischer Schwerpunkt werden, auch die zentrale Beichtkirche mit seelsorglicher Begleitung. Andere Kirchen in der Mainzer Innenstadt werden vom Dominikanerorden bedient – da könnte etwa am Bahnhof in einem sozialen Schwerpunkt ein Predigtschwerpunkt gebildet werden.

Dagegen könnte ich mir eine Karmeliterkirche mit einem spirituellen und liturgischen Schwerpunkt vorstellen, wo man als Gemeinschaft in einer offenen Form zusammensitzt und wo allein durch die Raumgestaltung das Frontale weicht. Es könnte auch einen Jugendschwerpunkt in einer anderen Mainzer Kirche geben. Man sollte immer fragen: Wie kann man den Geist jedes Kirchortes am besten nutzen?

Frage: Könnte sich auch die Gottesdienstordnung ändern?

Kohlgraf: Ja. Es muss nicht in der Mainzer Innenstadt in jeder Kirche am Sonntag um 10.00 Uhr ein Hochamt geben, wo überall nur ein paar Dutzend Leute zusammenkommen. Man kann auch über andere Uhrzeiten und andere Formen nachdenken.

Frage: Die 46 Pastoralräume werden in vier Regionen im Bistum unterteilt sein – Mainlinie (10 Pastoralräume), Oberhessen (9 Pastoralräume), Rheinhessen (13 Pastoralräume) und Südhessen (14 Pastoralräume). Welche Aufgaben haben die vier Regionen?

Kohlgraf: Die Regionen sollen die Möglichkeit schaffen, dass sich die Pfarreien vernetzen, dass es Hilfen gibt für gemeinsame Themen und Fortbildungen. Die eigentlichen Orte der Seelsorge werden aber die Pastoralräume selbst sein. Wir haben im Vergleich etwa zum Bistum Trier relativ kleine Pastoralräume im Bistum Mainz: In Offenbach etwa ist geplant, nur die Stadt selbst als eine Pfarrei zu gestalten mit Schwerpunkten an den verschiedenen Kirchorten.

Frage: Es wird Gläubige geben, die sagen, nun werden jahrhundertealte Strukturen aufgelöst, warum hätte der Bischof das nicht einfach weiterlaufen lassen können?

Kohlgraf: Weil wir das in dieser Kleinteiligkeit, wie das Bistum Mainz derzeit unterwegs ist, auf Dauer nicht hätten bewältigen können. Bei einer professionalisierten Form von Seelsorge kann man sich nur als Team aufstellen. Das Bild des Pfarrers als Einzelkämpfer ist passe, und ich merke, dass auch Gemeindereferentinnen und -referenten eine solche Teamarbeit als Chance sehen. Und mit Bezug zu den angeblich jahrhundertealten Strukturen: Wir haben auch Regionen im Bistum, in denen wir jetzt wieder an die Strukturen vor dem Zweiten Weltkrieg anknüpfen. Damals waren größere Pfarreien durchaus üblich, etwa in Gießen.

Von Norbert Demuth (KNA)