Drei Monate #OutInChurch: "Coming Out hat spirituelle Dimension"
Am 24. Januar wurde die ARD-Dokumentation zur Initiative #OutInChurch veröffentlicht, in der sich 125 haupt- und ehrenamtliche queere Kirchenmitarbeiter zu ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität bekannten. Bernd Mönkebüscher, Priester im Erzbistum Paderborn, und Rainer Teuber, Mitarbeiter der Domschatzkammer im Bistum Essen, sind zwei der Initiatoren der Aktion. Im Interview sprechen sie über ihre bisherigen Erfahrungen nach dem Coming Out und darüber, was sie von den Bischöfen erwarten.
Frage: Vor drei Monaten ist #OutInChurch an die Öffentlichkeit gegangen. Wie war dieses Vierteljahr für Sie?
Teuber: Es waren drei sehr aufregende und intensive Monate. #OutInChurch ist das größte Projekt meines Lebens und wird es wohl auch immer bleiben. Ich war zu Anfang überwältig von der unfassbar großen medialen Aufmerksamkeit. Die ersten Tage der Aktion hatte ich mir zwar Urlaub genommen, um Presseanfragen bearbeiten und Interviews geben zu können. Wir waren also darauf eingestellt, dass ein großes Interesse an #OutInChurch bestehen wird – aber, dass es so lange anhält und auch nach drei Monaten so viel Aufmerksamkeit da ist, das hätte ich mir nicht träumen lassen. Es zeigt aber eben auch wie wichtig die Initiative ist. Bei allen positiven Erfahrungen setzt mir aber auch sehr zu, dass wir bei der Initiative nicht über eine Sache sprechen, sondern es geht um das Leben von Menschen, also auch um mich persönlich und meinen Mann. Das bringt mich manchmal an Grenzen.
Mönkebüscher: Wir haben nicht so viel daran gedacht, dass die ganze Arbeit nach dem Datum der Veröffentlichung eigentlich erst richtig beginnt. Der Fixpunkt war der 24. Januar, an dem wir mit der ARD-Dokumentation und der Kampagne online gingen. Doch was wir fordern bedarf einer langwierigen Umsetzung und eines hartnäckigen Kampfes in der Kirche. Dass noch viel Arbeit auf uns wartet, zeigen die Reaktionen der Bischöfe und Generalvikare, die suggerieren, sie seien nun auf einmal sehr queerfreundlich. Doch warum haben sie sich erst nach #OutInChurch so geäußert und nicht bereits vorher? Zumal die Behauptung, queerfreundlich zu sein, erst einmal gar nichts aussagt. Das ist etwa auf dem gleichen Level, wie queeren Personen ihr Mensch-Sein zuzugestehen. Das sollte selbstverständlich sein.
Frage: #OutInChurch hat dazu geführt, dass viele Bischöfe und Generalvikare Selbstverpflichtungen ausgesprochen und Änderungen beim kirchlichen Arbeitsrecht in Aussicht gestellt haben. Wie beurteilen Sie diese Aussagen?
Mönkebüscher: Es wird wahrscheinlich bald wirklich Änderungen beim Arbeitsrecht geben. Daran wird seitens der Bischöfe bereits länger gearbeitet, wie man fairerweise sagen muss. #OutInChurch hat die Dringlichkeit dieser Reformen aber sehr deutlich gemacht. Ich glaube nicht, dass die Bischöfe hier auf einen fahrenden Zug aufspringen, sondern merken, dass die Schieflagen sonst anders aufgelöst werden, etwa dadurch, dass die Politik künftig tätig wird. Die Kirche muss an dieser Stelle endlich die Menschenrechte akzeptieren und umsetzen. Eine Tendenz, die man oft beobachten kann: Kirche möchte das Heft des Handelns gerne in der Hand behalten. Das äußert sich in Beschwichtigungen wie: "Wir sorgen schon für Euch, es ist alles nicht so schlimm." Das war eine Botschaft, die ich aus dem Gespräch mit den Bischöfen bei der Übergabe der Unterschriften am Rande der Frühlingsvollversammlung der Bischofskonferenz mitgenommen habe.
Teuber: In Vierzehnheiligen haben wir 117.000 Unterschriften von Unterstützern unserer Forderungen an die Bischöfe übergeben. Das Gespräch war zunächst freundlich und zugewandt seitens der Bischofskonferenz, aber im Rückblick haben sich bei mir viele Fragen ergeben. Denn ich möchte von den Bischöfen einfach nicht mehr hören, dass man queere Menschen zwar verstehe, aber auch das große Ganze der Kirche im Blick behalten müsse. Außerdem sagen die Bischöfe, dass sie aktuell nach einer Lösung für Änderungen suchen, die rechtssicher sei – aber ein Arbeitsrecht frei von Diskriminierung ist doch rechtssicher. Auch wenn seitens der Bischöfe zugesagt ist, dass es in diesem Jahr angegangen wird, geht mir alles viel zu langsam. Viele Themen werden weiterhin nicht berücksichtigt: Wir sprechen zwar über gleichgeschlechtliche Paare und wiederverheiratete Geschiedene, aber transidente und non-binäre Menschen sind leider nach wie vor kaum im Blick- oder Sichtfeld. Bei dem Gespräch am Rande der Vollversammlung hat sich zum wiederholten Mal gezeigt, dass die Bischöfe beim Thema Sexualität einfach sprachunfähig sind und teilweise gar nicht wissen, über wen sie reden. Mich macht wütend, dass die Bischöfe über uns sprechen, als wären wir ein Thema. Aber wir sind doch Menschen, die in Beziehungen leben und die in den letzten Jahrzehnten verletzt worden sind. Die Bischöfe tragen Verantwortung für die Situation und sich trotzdem immer noch sehr wolkig und unverbindlich.
Frage: In vielen Bistümern gibt es inzwischen spezielle Seelsorge für queere Menschen und eine Regenbogen-Pastoral. Ist das ein Versuch der Bischöfe, die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, indem man rasches Handeln zeigt?
Mönkebüscher: Rainer hat es eben schon gesagt: Wir sind Menschen und keine Themen oder Objekte der Seelsorge. In der Kirche trifft für viele Bereiche zu, dass gerne über Menschen gesprochen wird und nicht mit ihnen. Darunter leiden die Missbrauchsopfer, die wahrnehmen, dass sie nicht wirklich gesehen werden und ihnen nicht geglaubt wird – in unserer Situation ist das ähnlich. Aber in dem Moment, in dem man tatsächlich mit Menschen spricht, sich von ihren Schicksalen berühren lässt, kann es zu Veränderung kommen. Das beste Beispiel dafür ist Bischof Franz-Josef Overbeck, der nach seinem Talkshow-Auftritt bei Anne Will 2010 eine Wende vollzogen hat. Ich will damit nicht sagen, dass im Bistum Essen alles besser ist, aber die Äußerungen, die Overbeck heute in der Öffentlichkeit tätigt, sind eine Wende von 180 Grad, die ich dem Bischof auch glaube. Gespräche mit homosexuellen Menschen haben ihn offensichtlich verändert. Das zeigt aber auch einen "Systemfehler" in der Kirche: Wir sind derart abhängig von den Ansichten und dem Willen eines Bischofs, der vielleicht bereit ist, sich auf einen Prozess mit queeren Menschen einzulassen.
Teuber: Es stimmt natürlich, dass sich das Bistum Essen in den vergangenen Jahren an die Speerspitze der Liberalität der Kirche in Deutschland gestellt hat. Das erlebe ich auf der einen Seite als positive Entwicklung und nehme Bischof Overbeck seine Wandlung auch ab. Auf der anderen Seite stimmt es mich sehr nachdenklich, wenn bei einer Initiative wie #OutInChurch aus dem vermeintlich fortschrittlichsten deutschen Bistum nur drei Leute mitmachen. Ich habe mit vielen anderen queeren Menschen in unserer Diözese gesprochen, die aber nicht bei der Aktion dabei sein wollen, weil sie nach eigener Aussage "dem Braten nicht trauen". Das hat mich schockiert, denn es zeigt, dass Menschen, die Verantwortung in unserer Kirche tragen, ein großes Problem mit ihrer Glaubwürdigkeit haben. Ich kann die Verunsicherung der Betroffenen nachvollziehen, denn nach meinem offiziellen Coming Out im Bistum Essen im Jahr 2019 hat niemand bei mir nachgefragt, wie es mir mit meiner sexuellen Orientierung in der Diözese geht – und das, obwohl ich damals schon fast 25 Jahre dort gearbeitet habe. Auch jetzt nach #OutInChurch gab es aus meinem direkten Arbeitsumfeld bis heute keine Reaktionen auf die Initiative, fast so als hätte das alles nie stattgefunden. Aus meinem Team im Domschatz des Bistums gab es überwiegend positive Rückmeldungen und große Unterstützung, aber selbst dort wurde mir gesagt, dass ich nicht zwingend für die Kirche arbeiten müsste und ja gewusst hätte, auf was ich mich eingelassen habe. Aus dem weiteren Kollegenkreis kam tatsächlich gar keine Reaktion. Ich erwarte nicht, dass man mir einen roten Teppich ausrollt und mich nur hofiert, aber ich wünsche mir, dass wir über diese unausgesprochenen Dinge reden.
Mönkebüscher: Ein ähnliches Schweigen kann man mit Blick auf die Verletzungen beobachten, die queeren Menschen in der Vergangenheit von der Kirche zugefügt wurden. Wenn es jetzt zu einer Änderung des Arbeitsrechts kommt, muss sich die Kirche – konkret die Bischöfe, die Generalvikare und die Personalverantwortlichen – fragen, was sie da angerichtet hat. Denn was hat die Gemeindereferentin im Ruhestand, die ihre Homosexualität während des Berufslebens verstecken musste, von den Änderungen? Oder die Leiterin eines Kindergartens, die gekündigt wurde? Was ist mit den vielen Angestellten der Kirche, die unter einer strengen Auslegung der Grundordnung in den letzten Jahrzehnten gelitten und der puren Willkür ausgesetzt waren (und eigentlich immer noch sind)? Wer interessiert sich für diese Wunden? Ich glaube, das ist es, was Du meinst, Rainer. Wer interessiert sich in der Kirche für die Menschen und ihre Verletzungen? Solange dieses Interesse nicht wahrnehmbar ist und wirklich gelebt wird, bleibt die Kirche in Absichtserklärungen stecken, die nichts bewirken.
Frage: Welches Zeichen würden Sie sich bei dieser Frage von der Kirche wünschen?
Mönkebüscher: Wir haben beim Verfassen des Manifests von #OutInChurch lange über diesen Punkt diskutiert und uns für die Formulierung "Aufarbeitung der Schuldgeschichte" entschieden. Wir wollen keine Entschuldigung, die ohne Konsequenzen wäre, das bedeutet etwa die Neufassung der kirchlichen Sexualmoral und das Einräumen gleicher Rechte für queere Menschen – so wie für Frauen im Übrigen auch. Bei einer Aufarbeitung geht es auch darum, nachzufragen, wie es den betroffenen Menschen geht. Uns ist eine ehrliche Haltung wichtig, nur aufgesagte Betroffenheitsbekundungen greifen zu kurz und wirken lediglich beschwichtigend. Es ist unumgänglich, dass es innerhalb der Diözesen zu Gesprächen zwischen Bistumsleitung und Betroffenen kommt, in denen Brücken gebaut werden.
Teuber: Meiner Ansicht nach gehört eine Entschuldigung aber auch dazu. Denn mein Mann und ich haben unsere Ehe nicht umsonst 17 Jahre verheimlicht. Über die letzten drei Jahre spricht man nun sehr gerne, nicht aber über die lange Zeit davor. Ich hätte mich über eine Äußerung seitens der Diözese gefreut, die anerkennt, dass die Situation in der Kirche für queere Menschen – also auch für mich – schlecht war. Es war eben ein toxisches Arbeitsverhältnis: Ich habe besonders hart gearbeitet, um nicht aufzufallen. Das haben Menschen im Bistum auch wissentlich ausgenutzt. Es wird zwar nicht gesagt: "Bitte erledigen Sie diese Aufgabe noch, denn wir wissen ja, dass Sie schwul sind." Das Ausnutzen meiner Situation funktionierte auf eine viel subtilere Art und Weise. Hier bleiben für mich noch viele Fragen offen und meine Verbindung zur Kirche als Organisation und als Arbeitgeber ist äußerst fragil geworden – gerade in den vergangenen drei Monaten. Trotz aller Erschütterungen meines Vertrauens in Menschen habe ich mir aber mein Gottvertrauen bewahren können.
Mönkebüscher: Man lässt sich als queerer Kirchenmitarbeiter einfacher manipulieren, denn man steht unter einem besonderen Druck und versucht, den vermeintlichen "Makel" durch harte Arbeit wieder wettzumachen. Dazu muss der Wille zum Ausnutzen seitens der kirchlichen Vorgesetzten nicht einmal da sein. Ich bin beim Thema Entschuldigung deshalb so reserviert, weil wir bei den Missbrauchsverbrechen merken, dass es mit einer Entschuldigung bei weitem nicht getan ist. Für die Kirche ist eine einfache Entschuldigung sehr bequem, denn sie ist schnell gesagt und kostet nichts.
Frage: Glauben Sie, dass es bei diesem Thema eine Umkehr der Kirche geben kann?
Teuber: Das System, das wir mit unserer Initiative kritisiert und offengelegt haben, ist über Jahrhunderte installiert worden. Das wird sich nicht in drei Monaten ändern können, dafür sind die systemischen Strukturen zu tief verwurzelt. So wie beim Missbrauchsskandal erlebe ich nach dem Abklingen der ersten Welle der Aufmerksamkeit für #OutInChurch nun einen zunehmenden Hang zum Relativismus. Da wird auf andere Organisationen verwiesen, die auch diskriminieren würden. Oder der Kirche wird zuerkannt, dass sie nun Pionierarbeit bei der Aufarbeitung leiste. Das ist für mich eine etwas verdrehte Sicht auf das Thema.
Mönkebüscher: Man muss einfach sagen, was ist: es geht um Diskriminierung, um das verquere Menschenbild der Kirche. Bis vor wenigen Jahrzehnten musste das in unserem Kulturkreis nicht verteidigt werden, weil es mit den Ansichten der meisten Menschen übereinstimmte. Heute gibt es in der Gesellschaft für Homosexualität zumindest Toleranz, auch wenn sich hier noch viel tun muss. Aber die Kirche ist einfach bei ihrer Position geblieben – und das, obwohl wir über Menschenrechte und das Leben des Evangeliums sprechen. Die Kirche nimmt an dieser Stelle die Frohe Botschaft nicht ernst. Wenn die Kirche nicht für die Schwachen und Marginalisierten eintritt, ist sie nicht Kirche Jesu Christi. Aber wenn wir nicht glauben, dass sich das verändern ließe, hätten wir #OutInChurch nicht gestartet. Veränderungen in der Kirche sind mühsam, das sieht man etwa beim Synodalen Weg.
Teuber: Wir haben uns deshalb bewusst für den Namen #OutInChurch entschieden, denn die Teilnehmer sind Menschen, die aus der Mitte der Kirche kommen, also "in" ihr leben. Manchmal denke ich, es wäre einfacher für mich gewesen, aus der Kirche auszutreten und mir in einer anderen Einrichtung einen Job als Museumsangestellter zu suchen. Aber, dass es Menschen aus der Mitte der Kirche sind, die ihre Verletzungen offenlegen, macht uns glaubwürdig. Viele der 125 Teilnehmer mussten um ihre berufliche Existenz fürchten. Das ist, was #OutInChurch von den Bischöfen unterscheidet: Würde den Bischöfen etwas passieren, wenn sie alle mutig vorangehen und sich wirklich für queere Menschen einsetzen? Ich kann mir das nicht vorstellen.
Frage: Bei der Initiative fällt auf, dass nur sehr wenige Diözesanpriester teilgenommen haben. Haben sie Angst vor Konsequenzen?
Mönkebüscher: Das ist ein schwieriges Thema. Zum einen glaube ich, dass tatsächlich Angst und Scham hierbei eine große Rolle spielen. Beim Gespräch mit Kollegen über #OutInChurch habe ich Befürchtungen gehört, dass eine Teilnahme auch ein Coming Out vor der Familie und der Kirchengemeinde bedeuten würde. Ich kann das zu einem gewissen Grad verstehen, weil ich mich als Diözesanpriester erst mit 52 Jahren geoutet habe. Aber dahinter steht vermutlich der die scheinbar unumgängliche Annahme, Queer-Sein müsse verborgen werden, weil es vielleicht auch von den Betroffenen selbst als etwas Negatives gesehen wird. Zum anderen glaube ich, dass viele Kollegen in der Kirche eine schwule Welt gesucht und gefunden haben – gewissermaßen einen Schutzraum, den sie keinesfalls gefährden möchten. Dort finden sie männerbündische Strukturen und sie müssen sich nicht erklären, warum sie nicht heiraten. Ich glaube, wenn das Thema Homosexualität in der Kirche nicht mehr mit dieser Scham behaftet wäre, würde sich die Priesterschaft verändern. Ich habe deshalb mitunter das Gefühl, mich gegenüber meinen Priester-Kollegen wegen #OutInChurch verteidigen zu müssen. Es fällt zwar nicht das Wort "Nestbeschmutzer", aber es geht ein wenig in diese Richtung, als würden sie mir vorhalten, dass ich etwas nach außen trage, mit dem sich innerhalb des Klerus eigentlich gut leben lässt.
Frage: Ist diese Situation bei Ordenspriestern anders?
Mönkebüscher: Die Ordensleute stehen unter dem Schutz ihrer Gemeinschaft. Es ist überhaupt eine andere Form von priesterlichem Leben. Wir Diözesanpriester sind wesentlich mehr auf uns selbst gestellt, ohne die Rückendeckung etwa eines Ordens.
Teuber: Mit Blick auf die Diözesanpriester nehme ich im Bistum Essen wahr, dass viele nicht bei #OutInChurch mitgemacht haben, weil es aus ihrer Sicht ausreichend ist, dass einige wenige queere Personen vorangehen. Ich vermisse bei manchen von ihnen die Anerkennung der spirituellen Dimension eines Coming Outs – in Bezug auf sich selbst, aber auch für die ganze Kirche. Öffentlich zu seiner Homosexualität zu stehen ist etwas sehr Befreiendes, ein Aufstehen, vielleicht sogar ein Auferstehen. Ein Coming Out hat österliche Anklänge, denn es markiert ein Davor und ein Danach. Deswegen kann ich die Verzagtheit bei vielen queeren Priestern und Kirchenmitarbeitern nicht nachvollziehen.
Mönkebüscher: Wir sind bei #OutInChurch als Glaubende unterwegs, unsere Sexualität gehört untrennbar zu uns. Das ist auch eine spirituelle Dimension. Ich mache die Initiative nicht nur für mich, sondern auch für alle anderen in der Kirche. Und wenn ich sehe, wie viele seelsorgliche Kontakte durch mein Coming Out ermöglicht wurden, bin ich sehr berührt. Die Menschen, seien sie queer oder mit anderen Themen unterwegs, brauchen authentische Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner. Aus meiner Perspektive kann ich sagen, dass ich mir als Jugendlicher einen geouteten schwulen Priester in meiner Kirchengemeinde gewünscht hätte, denn bestimmte Themen konnte ich mit niemandem besprechen. Es gehört zu unserer Berufung als Priester, für die Menschen da zu sein. Daher erscheint es mir falsch, dass Priesterausbilder ihren Seminaristen raten, über ihre sexuelle Orientierung Stillschweigen zu bewahren. Meine Sexualität kann ich nun einmal nicht von meiner Person trennen. Man muss Homosexualität nicht ständig thematisieren, aber es muss möglich sein, in der Kirche offen darüber zu sprechen.
Frage: Wie geht es nach drei Monaten mit #OutInChurch weiter?
Teuber: Ich erlebe, dass das Interesse an der Initiative bei Diskussionen, etwa in Schulen, weiterhin groß ist. Ich bin in den vergangenen Monaten sehr viel unterwegs gewesen, um dort mit jungen Menschen über Sexualität und Kirche zu sprechen. Hier ist noch ganz viel zu tun und es ist eine großartige Entwicklung, die ich so nicht erwartet hätte. Dann hatten wir die Vorstellung unseres Buchs zu #OutInChurch, es kommen auch noch der Katholikentag im Mai oder die Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz. Mittlerweile haben wir auch Kontakte zur Politik, die nun ein Auge auf dieses Thema hat. In Zukunft wird es also immer wieder Meilensteine geben, an denen wir als Initiative sichtbar bleiben. Selbstverständlich werden wir an den Themen unserer Forderungen und den Reaktionen der kirchlichen Verantwortlichen dranbleiben. Die Arbeit ist noch nicht getan.
Mönkebüscher: Es gibt die Arbeit im Kleinen, wenn etwa Schulen oder Kirchengemeinden einladen, aber auch die Arbeit im Großen. Ich denke da neben den bereits genannten Punkten auch an den Synodalen Weg und seine Versammlungen. Es gibt aber auch die Idee, dass sich in den Bistümern #OutInChurch-Gruppen bilden, was teilweise auch schon geschehen ist. Auf diese Weise sollen in den Diözesen die Themen vor Ort besser angegangen werden. Wir sind noch lange nicht am Ende.