Tod Jesu zeige Heilsweg ohne Priester, Riten und Tempel auf

Theologe Ebner: Neues Testament sieht keine Priester vor

Veröffentlicht am 02.05.2022 um 12:44 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die katholische Kirche ist heute nicht ohne Priester zu denken. Doch das war nicht immer so, betont der Exeget Martin Ebner, und mehr noch: Das Besondere des Christentums sei eigentlich, gerade keine Priester zu brauchen.

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Der emeritierte Bonner Exeget Martin Ebner sieht im Neuen Testament keine Grundlage für das Priestertum in seiner heutigen Form. Im Interview mit den Österreichischen Kirchenzeitungen betonte der Theologe am Wochenende, dass der Befund der Bibel eindeutig sei: "Für christliche Gemeinden sind Priester nicht vorgesehen. Und zwar nicht deshalb, weil es keine gegeben hätte", so der Theologe. Zwar seien auch viele Tempelpriester christusgläubig geworden, sie erhielten jedoch keine besonderen Funktionen in den Gemeinden, "und zwar aus prinzipiellen Gründen", erläutert Ebner: "Denn verschiedene Schriften des Neuen Testaments entwickeln eine Gemeindetheologie, die alles, was zur Zeit Jesu streng an die priesterlichen Opferriten im Tempel gebunden war, in die Hände der Getauften legt."

Wer der Eucharistie vorstehen solle, werde im Neuen Testament nicht thematisiert. Wichtig sei jedoch, dass alle das Gleiche bekommen und sich gleichwertig behandelt fühlen. Auch die Sündenvergebung sei bereits prinzipiell durch den Tod Jesu bewirkt und wird laut Ebner gemäß den Evangelien von den Glaubenden einander zugesprochen. Damit hebe sich das Christentum gerade vom damaligen jüdischen Tempelpriestertum ab, indem es die Sündenvergebung nicht mehr den damaligen Priestern überlassen und die Vermittlung zwischen Gott und Mensch zur Glaubenssache gemacht habe, die allen offenstehe. "Es ist Gottes Werk, dass er im Tod Jesu einen Weg zu sich selbst gezeigt hat, der ohne Priester, Riten und Tempel auskommt", so der Theologe.

Priester erst ab 3. Jahrhundert

Erst ab dem 3. Jahrhundert habe es Priester in christlichen Gemeinden gegeben. Die Einführung eines Priesteramts der Gemeindeleiter hänge mit dem Wunsch nach wirtschaftlicher Absicherung in Analogie zum biblischen Zehnten zusammen. Als Neutestamentler müsse Ebner sich angesichts des Priestermangels aber fragen, ob die kirchliche Priesterzentrierung den Leitlinien des Neuen Testaments entspreche.

Bereits im März hatte Ebner eine Abschaffung der "Ständegesellschaft" in der katholischen Kirche gefordert und das beim Synodalen Weg diskutierte Papier des Synodalforums "Priesterliche Existenz heute" kritisiert, das nach seiner Einschätzung unter dem Anspruch des neuen Testaments bleibe. Der entscheidende Punkt bei der Reformdebatte werde nämlich umschifft: "Wenn die Abschaffung der katholischen Ständegesellschaft nicht gelingt, rennen wir immer gegen eine Mauer, wenn wir Demokratisierung einfordern." Dann blieben die Laien "Bittsteller gegenüber einem durch die Weihe privilegierten Stand".

Kritik an Ebner äußerte der Berliner Dogmatiker Georg Essen, der einen rein aus der Bibel gewonnenen Blick auf die Frage nach der Notwendigkeit des Priestertums in der Kirche als "unhistorisch" bezeichnete. Ebner stelltlaut Essen nicht in Rechnung, dass in neuen historischen Konstellationen späterer Zeit Fragen auftauchten, die sich so unmittelbar nicht durch biblisches Referat beantworten ließen. (fxn)