Magdeburger Oberhirte kritisiert kirchliche "Wagenburgmentalität"

Bischof Feige: Kirche könnte gleiches Schicksal wie Sozialismus haben

Veröffentlicht am 05.05.2022 um 19:30 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt/Magdeburg ‐ Wie sieht die Zukunft der Kirche aus? Bischof Gerhard Feige fühlt sich bei dieser Frage an den Niedergang sozialistischer Systeme erinnert – und warnt vor der Gefahr, dass die Kirche das gleiche Schicksal ereilen könnte.

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Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige sieht die Kirche in der gleichen Gefahr wie sozialistische Regime. Auch im Christentum könne es vorkommen, "dass – wie im Marxismus-Leninismus mit seinem absoluten Wahrheitsanspruch – die angeblich reine Lehre als geschlossenes System betrachtet wird, dem sich alle nur ein- oder unterzuordnen haben", sagte Feige am Donnerstagabend im Katholischen Forum im Land Thüringen, der Akademie des Bistums Erfurt.

"Als katholischer Christ mit fast vierzigjähriger DDR-Sozialisation bedrückt es mich, wenn sich seit einiger Zeit der Eindruck verstärkt, Kirche sei auch nur eine Ideologie mit 'Wagenburgmentalität' und sektiererischen Zügen oder ein 'Allerwelts-Tummelplatz' von Willkür und Beliebigkeit", räumte Feige bei einer Gedenkveranstaltung zum zehnten Todestag des Erfurter Theologen und Philosophen Konrad Feiereis (1931-2012) ein, der einer seiner akademischen Lehrer war.

Es sei notwendig, in der Kirche "falsche Götter zu entlarven"

"Nichts gegen unterschiedliche Meinungen", betonte der Bischof des Bistums Magdeburg, "aber manche beanspruchen inzwischen rigoros, im Besitz der Wahrheit zu sein, verstehen sich dabei sogar als besonders katholisch und scheuen sich auch nicht davor, andere unter Druck zu setzen und sie zu diffamieren oder zu denunzieren". In größeren Bistümern "mögen sich solche Extreme noch verlieren, in kleineren belastet so etwas mehr".

Kontraproduktiv werde dies vor allem, "wenn jemand mit westdeutscher Sozialisation meint, katholischen Christen in den neuen Bundesländern beibringen zu müssen, was wahrhaft katholisch sei", kritisierte Feige. "Das ist angesichts unserer Glaubenserfahrung unter ganz anderen Bedingungen und unseres sorgenvollen Ringens um verantwortbare Lösungen im Geiste Jesu Christi mehr als anmaßend."

Es erscheine heute auch innerkatholisch vonnöten, "falsche Götter zu entlarven und pseudoreligiöse Systeme ihrer Gottlosigkeit zu überführen", so der Bischof weiter: "Wenn es uns dabei als Kirche nicht gelingt, aus dem Korsett von sturen Denkverboten, dogmatischen Verkrustungen und totalitären Anmaßungen auszubrechen, werden wir den gleichen Niedergang oder Zusammenbruch erleben wie der real existierende Sozialismus mit seiner marxistisch-leninistischen Überforderung." (KNA)