Runde zwei von #liebegewinnt: "Das Thema ist nicht mehr totzukriegen"
Die Zahl aus dem vergangenen Jahr wird vermutlich nicht erreicht. Damals hatte es bundesweit 111 Gottesdienste gegeben. Dennoch sind die Initiatorinnen und Initiatoren sehr zufrieden. Einige Gemeinden sind neu dazugekommen, manche sind zum zweiten Mal dabei. Auch eine Gemeinde in der Schweiz hat sich angeschlossen. Sogar eine Feier in einer Kathedrale wird es geben, und zwar in Magdeburg. Rund um den 10. Mai hat die Initiative #liebegewinnt erneut zu Segensgottesdiensten für sich liebende Paare jeglicher sexuellen Orientierung, insbesondere queere Paare, aufgerufen. Und erneut sind deutschlandweit einige Gemeinden dem Aufruf gefolgt. Dieses Jahr sind es rund 80.
Doch was sie tun, ist eigentlich nicht erlaubt. Denn laut offizieller kirchlicher Lehre darf ein katholischer Seelsorger eine homosexuelle Partnerschaft nicht segnen – genauer gesagt: Er kann es nicht. Mitte März 2021 hatte die römische Glaubenskongregation in einem "Responsum ad dubium" erklärt, die katholische Kirche habe nicht die Vollmacht, gleichgeschlechtliche Verbindungen zu segnen. Zu diesen gehörten sexuelle Aktivitäten außerhalb der Ehe von Mann und Frau, rief sie in Erinnerung. Was folgte, war ein Sturm an Kritik besonders aus dem deutschsprachigen Raum, der schließlich in dem bundesweiten Aufruf einiger Seelsorger gipfelte, Gottesdienste zu organisieren, in denen queere Paare öffentlich gesegnet werden. Das war die Geburtsstunde von #liebegewinnt.
Kritik: Versuchtes Abwürgen der Diskussion
Überraschend war die Feststellung des Vatikan nicht. Viele Seelsorger, die bereits seit langem im privaten Rahmen homosexuelle Paare segnen, wissen, dass sie gegen die offizielle Lehre der Kirche handeln – auch wenn sie selbst genauso wie viele andere Gläubige diese für nicht mehr begründet und tragfähig halten. Was vielen an dem Nein aus dem Vatikan besonders aufstieß, sei der Versuch gewesen, die Diskussion über das Thema abzuwürgen, bevor sie überhaupt richtig begonnen habe, betont Jens Ehebrecht-Zumsande, einer der Initiatoren von #liebegewinnt. Denn in immer mehr Teilen der Weltkirche wird der kirchliche Umgang mit Homosexuellen ganz offen hinterfragt.
Naturgemäß löste die Aktion im vergangenen Jahr kontroverse Diskussionen aus. Konsequenzen für die Seelsorger, die öffentlich homosexuelle Paare segneten, gab es zwar keine. Doch selbst Bischöfe, die sich gegenüber Segnungen für homosexuelle Paare grundsätzlich offen zeigen, übten Kritik. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bezeichnete die Aktion als nicht hilfreich und sprach sich gegen "kirchenpolitische Manifestationen oder Protestaktionen" im Rahmen von Gottesdiensten aus. Im Vorfeld der diesjährigen Aktion waren bisher keine derartigen Warnungen offiziell zu hören – die Kritikpunkte dürften jedoch dieselben sein. Natürlich, räumt Jens Ehebrecht-Zumsande ein, ist mit der Aktion Protest verbunden – im vergangenen Jahr vielleicht noch mehr als in diesem Jahr. Aber im Fokus der Gottesdienste steht die Seelsorge. "Es ist für viele Menschen sehr wichtig, dass es dieses Angebot gibt." Das sei auch an den Rückmeldungen der Paare deutlich geworden.
Doch die Ausgangssituation ist eine andere als bei der ersten Auflage von #liebegewinnt. Zum einen stimmten die Delegierten des Synodalen Wegs Anfang Februar in erster Lesung grundsätzlich für die Einführung von Segensfeiern für Paare, "die sich lieben und binden wollen, denen aber die sakramentale Ehe nicht zugänglich ist oder die sie nicht eingehen wollen". Denn eine Weigerung, "zwei Menschen zu segnen, die ihre Partnerschaft in Liebe, Verbindlichkeit und Verantwortung zueinander und zu Gott leben wollen", lasse sich "gnadentheologisch nicht überzeugend begründen", heißt es in der Beschlussvorlage. Zum anderen sorgte das Coming-out von kirchlichen Mitarbeitern im Rahmen von #OutInChurch für viel Aufmerksamkeit. Die Reaktionen vieler Bistumsleitungen fielen wohlwollend aus, zudem wurde angekündigt, dass es bald eine geänderte Grundordnung des kirchlichen Arbeitsrechts geben soll, die die Frage nach der Partnerwahl der Mitarbeiter nicht mehr zwingend zum Gegenstand der Loyalitätsverpflichtungen gegenüber der Kirche macht.
"Vieles offengeblieben"
Bedeutet diese Veränderung der Situation auch eine Verbesserung? "Gerade in der Folge von #OutInChurch gab es sehr viele Lippenbekenntnisse von Bischöfen und Generalvikaren, aber auf der Handlungsebene ist bis auf die ein oder andere Selbstverpflichtung noch nichts passiert", bemängelt Jens Ehebrecht-Zumsande. Auch das sei einer der Gründe, warum sich der Initiatorenkreis von #liebegewinnt für einen zweiten Durchgang entschieden hat. "Wir haben auch die kritische Anfrage diskutiert, ob wir ein jährliches 'Rituälchen' schaffen. Wir haben uns aber entschlossen, es nochmal zu tun, weil aus unserer Sicht noch sehr viel offengeblieben ist."
Was Ehebrecht-Zumsande bei manchen bischöflichen Aussagen zu dem Thema Kirche und queere Menschen auch stört: Es werde immer noch davon geredet, dass queere Menschen eine Personengruppe seien, die besonderer Zuwendung bedürfe. "Was durch #OutInChurch nochmal sichtbar geworden ist: Queere Menschen sind ja nicht nur Objekte der Seelsorge, sondern auch Subjekte und gestalten Kirche mit an unterschiedlichsten Stellen." Hier gebe es einen gewaltigen Fundus im Hinblick auf die Verkündigung. "Die Bischöfe brauchen hier dringend eine Haltungsänderung: nicht nur paternalistisch auf Menschen zu gucken, die irgendeine Art von Zuwendung brauchen, sondern wahrzunehmen, dass es hochqualifizierte, hochkompetente Menschen gibt, die noch bereit sind, Kirche mitzugestalten."
Linktipp: Mönkebüscher: Segnung Homosexueller "um des Glaubens willen" nötig
Kürzlich kritisierte Gesundheitsminister Spahn das Segnungsverbot für homosexuelle Paare – katholisch bleiben wolle er aber trotzdem. Im katholisch.de-Interview erklärt der Mitinitiator der Segensaktion #liebegewinnt, Pfarrer Bernd Mönkebüscher, warum solche öffentlichen Statements wichtig sind. (Interview vom August 2021)
Eine digitale Karte auf der Website von #liebegewinnt zeigt, wo in diesem Jahr Segnungsgottesdienste angeboten werden. Dabei wird deutlich: Es sind nicht nur die großen Metropolen wie Köln oder Hamburg, sondern im überwiegenden Maße kleinstädtische oder dörfliche Gemeinden. "Das finde ich schon bemerkenswert, weil das zeigt, dass an der Basis über dieses Thema anders gedacht und gesprochen wird, als das von der Kirchenleitung manchmal gewünscht ist", betont Ehebrecht-Zumsande. Doch wenn man auf die geografische Verteilung blickt, sind viele große weite Flecken erkennbar. Das Initiatorenteam wisse von offenen Verboten einiger Diözesen. "Positiv gesprochen haben wir aber auch Bistümer, in denen die Kirchenführung deutlich macht, dass sie das unterstützt oder zumindest nicht ahnden wird."
Doch selbst in den Bistümern, wo es von offizieller Seite keine Schwierigkeiten gibt, trauen sich viele Gemeinden nicht, mitzumachen. "Da spielt oft die Angst vor Konflikten innerhalb des Pastoralteams oder in der Gemeinde eine große Rolle", so Ehebrecht-Zumsande. Diesen Unruhen wollten viele aus dem Weg gehen. "Da, finde ich, muss man bestimmte Konflikte auch eingehen." Man könne das Ganze etwa mit einer kritischen Diskussion begleiten, in der auch die Gegner beziehungsweise Skeptiker zu Wort kommen – so, wie es der Synodale Weg vormache.
Bei allen notwendigen Debatten sei das Wichtigste, den Wunsch der Paare nach einer Segnung in den Mittelpunkt zu stellen. "Wir müssen es hinbekommen, dass wir mehr über diesen Wunsch reden und vor allem hinhören, bevor wir nur auf einer kirchenpolitischen Ebene diskutieren", sagt Jens Ehebrecht-Zumsande. Trotz des Plädoyers des Synodalen Wegs für die Zulassung von Segensfeiern – das Nein des Vatikan steht und wird wohl auch nicht so schnell revidiert werden. In der Frage scheinen aktuell, wenn überhaupt, nur kleine Schritte möglich. Das sorgt bei vielen im Organisationsteam für Frust, gibt Ehebrecht-Zumsande zu. Doch er ist sich sicher: "Das Thema ist nicht mehr totzukriegen." Die Initiatorinnen und Initiatoren hoffen, das #liebegewinnt ein kleiner Anstoß in dieser großen Debatte sein kann. Die zahlreichen positiven Reaktionen aus der Weltkirche im vergangenen Jahr würden das unterstreichen.