Verantwortung für Missbrauch: Zollner kritisiert Kultur in Kirche
Pater Hans Zollner hat einen Wandel in der Weltkirche bei der Aufarbeitung von Missbrauch angemahnt. Die Kultur in der katholischen Kirche mache es Verantwortlichen beinahe unmöglich, Schuld beim Umgang mit Missbrauchsfällen einzugestehen, Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten, sagte der Jesuit und Experte im Kampf gegen Kindesmissbrauch laut Medienberichten am Dienstag in Lissabon. Zollner äußerte sich im Rahmen der Vorstellung der ersten Arbeitsergebnisse der unabhängigen Untersuchungskommission zum Missbrauch in der portugiesischen Kirche. Für viele Verantwortliche sei es "eine große Schwierigkeit, sich der eigenen Verantwortung zu stellen", sagte der Psychologe und Direktor des Instituts für Anthropologie der Universität Gregoriana. Er verurteilte, dass sich kirchliche Einrichtungen auf Kosten der Missbrauchsbetroffenen gegen entsprechende Vorwürfe verteidigten. Dieses Verhalten könne er nicht verstehen: "Warum haben wir Schwierigkeiten, die Wahrheit zu akzeptieren?"
Zollner rief weiter dazu auf, die Zustände in der Kirche zu ändern, die Missbrauch ermöglichten. In kirchlichen Einrichtungen wie Schulen und Priesterseminaren, aber auch in den Diözesen müsse sich in diesem Bereich noch viel tun. Dabei handele es sich um eine Aufgabe, die in der gesamten Weltkirche gleich sei: "Das System ist überall ähnlich, egal ob in Malawi, Mexiko, Portugal oder Myanmar." Ein innerkirchlicher Kulturwandel werde nicht einfach mit der Untersuchung der Missbrauchsfälle und Entschädigungen für die Opfer herbeigeführt.
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Der Kinderschutzexperte lobte die Aufarbeitungskommission der Kirche in Portugal als "mutigen Schritt nach vorne". Das aus sechs unabhängigen Fachleuten verschiedener Disziplinen zusammengesetzte Gremium mache eine sehr ernsthafte Arbeit. Seit Beginn ihrer Tätigkeit im Januar wurden der Kommission 326 Missbrauchsfälle gemeldet, teilte der Vorsitzende, Kinderpsychiater Pedro Strecht, am Dienstag mit. Zudem durchsucht eine Gruppe von Historikern die Archive aller portugiesischen Diözesen nach weiteren Fällen. Alle Bischöfe des Landes hatten diesem Vorgehen zugestimmt. "Alle Betroffenen, die sich bisher gemeldet haben, sagen uns, dass es weitere Opfer gibt", so Strecht. Bislang sehe man nur "die Spitze des Eisbergs".
Der Vorsitzende der portugiesischen Bischofskonferenz, Bischof José Ornelas, wiederholte bei der Veranstaltung seine Vergebungsbitte an die Missbrauchsopfer. Die Arbeit der von der Bischofskonferenz eingesetzten unabhängigen Kommission steht unter der Überschrift "Dem Schweigen eine Stimme geben". Ein Zwischenbericht soll bis Ende 2022 vorliegen. (rom)