Loyal, nicht ideologisch
Tausende Pilger aus 50 Ländern finden sich seit Donnerstagabend in dem beschaulichen Ort Vallendar am Rhein ein. Die katholische Schönstatt-Bewegung im gleichnamigen Ortsteil feiert in diesen Tagen ihr 100-jähriges Bestehen. Dort steht eine Marienkapelle - das Urheiligtum der Vereinigung, die als Vorläufer der Neuen Geistlichen Gemeinschaften gilt. Gar nicht beschaulich war die Gründung der Bewegung mitten im Ersten Weltkrieg. Wer sind diese Schönstätter?
Sie selbst verstehen sich als geistliche Gemeinschaft innerhalb der katholischen Kirche, weltweit gehören ihr mehr als 20 unabhängige Laien- und Priestergemeinschaften an. Im Zentrum ihres Denken und Handelns steht ein sogenanntes Liebesbündnis zu Maria, weshalb sie auch als marianische Bewegung gelten. Geprägt ist Schönstatt zudem von einem tiefen Glauben an die Führung Gottes.
Einen Beitrag in die Gesellschaft hinein
Schönstatt ist 1914 im Rahmen der Jugendbewegung entstanden. Aus dieser Zeit gingen auch die katholischen Jugendverbände oder die Jugendherbergen hervor. Gründer war der Pallottinerpater Josef Kentenich (1885-1968), der seelsorglicher Begleiter an der Nachwuchsschule seines Ordens war.
Er habe die Lage der Gesellschaft in der Zeit des Kriegs erlebt und wollte, dass die Kirche einen positiven Beitrag in die Gesellschaft hinein leistet, berichtet Pater Heinrich Walter, der Generalobere der Schönstatt-Patres, gegenüber katholisch.de.
Viele junge Männer der Schönstatt-Bewegung kämpften im Ersten Weltkrieg und fanden durch den Austausch mit Gleichgesinnten die Kraft, die Kampffelder seelisch unbeschadet zu überstehen. Dabei halfen ihnen die Erfahrung der Gemeinschaft, der Austausch und der Glaube an die Realität Gottes in diesen unmöglichen Zeiten, erzählt Pater Walter. Durch die Verbreitung ihrer Zeitschrift MTA in den Lazaretten, in der sie beschrieben, wie sie mit ihren Ängsten und Nöten im Krieg umgehen, entstanden neue Bewegungen.
Pädagogik im Mittelpunkt
"Es ist im Wesentlichen eine Laienbewegung", erläutert der Theologe Philipp Müller von der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität. Besonders sei bei Schönstatt der starke pädagogische Akzent. Der Entwicklung der Persönlichkeit werde große Bedeutung beigemessen. "Es wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass der Mensch die Gaben, die Gott in ihn hineingelegt hat, für sich und andere entfalten kann." Während anderen katholischen Bewegungen autoritäre Strukturen vorgeworfen würden, sei das hier nicht so.
Auch Schönstatt-Pater Walter bestätigt, dass der pädagogische Ansatz des Gründers, der zu freien und starken christlichen Persönlichkeiten führen sollte, die Gemeinschaft von Anfang an besonders prägte. "Der subjektive Zugang zur Religion spielte damals gar keine Rolle, während es für Kentenich zentral war, dass jeder einzelne persönlich zum Glauben findet."
"Sonderideen" werden kritisch beäugt
Während die Gemeinschaft weltweit wuchs, gab es in den ersten Jahrzehnten Spannungen mit den deutschen Bischöfen. Argwöhnisch beäugt wurden die "Sonderideen" Schönstatts wie etwa die Marienweihe als Liebesbündnis und die Spiritualität rund um das Schönstatt-Heiligtum (siehe Video unten). Kentenich lebte fast 14 Jahre im Exil in den USA. Erst in den 1960er Jahren kam er nach seiner Rehabilitierung zurück. Auf seinem Sarkophag in Schönstatt steht: Er liebte die Kirche.
Die Schönstatt-Kapellchen, Nachbauten des Vallendarer Urheiligtums, machen die Bewegung auch äußerlich sichtbar. Mittlerweile stehen sie in weltweit 210 Zentren. Mitglieder zählt Schönstatt nach eigenen Angaben 140.000 (in Deutschland 20.000), in losem Kontakt zur Bewegung seien mehr als 15 Millionen Menschen. Zu Schönstatt zählen ganz unterschiedliche, teilweise lose verbundene Gemeinschaften, etwa ein Institut der Frauen von Schönstatt, die Schönstatt-Marienschwestern oder die Schönstattjugend, die auf eine Trennung der Geschlechter setzt.
"Keine Hardliner"
Der wohl bekannteste Schönstätter ist der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. "Da sieht man, dass es keine Hardliner sind", sagt Theologe Müller. "Schönstatt ist kirchlich loyal, aber nicht ideologisch", meint Müller. Die Bewegung unterhält eine Akademie für Ehe und Familie, die Paare zu Ehe- und Familientrainern ausbildet. Zudem hilft sie Frauen nach einer Trennung oder Scheidung. Als eine von Laien getragene Bewegung sei Schönstatt in einer Vorreiterrolle - in einer Zeit, in der es nicht mehr so viele Priester wie früher gebe, sagte Zollitsch einst über seine Gemeinschaft.
Beim Eröffnungsgottesdienst am Donnerstag rief der Trierer Bischof Stephan Ackermann die Gläubigen dazu auf, "mit neuer Begeisterung und neuem Mut in die Welt hinauszugehen". Nicht Weltflucht, sondern Weltdurchdringung laute die Aufgabe. Zu einem Festakt am Samstag wurden neben rund 30 Kardinälen und Bischöfen auch hochrangige Politiker in Vallendar erwartet; Papst Franziskus gratulierte der Bewegung bereits in einem Schreiben. (mit Material von dpa und KNA)