Vor 100 Jahren wurde der Theologe Edward Schillebeeckx geboren

Der Picasso unter den Theologen

Veröffentlicht am 12.11.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Theologie

Bonn ‐ Den Menschen von Jesus und Gott zu erzählen - dieses Anliegen hat Edward Schillebeeckx stets beschäftigt. Er knüpfte bei der Erfahrung des modernen Menschen an und warb für eine einladende Kirche. Damit war der flämisch-niederländische Dominikaner einer der weltweit bedeutendsten katholischen Theologen der Nachkriegszeit. Am 12. November 1914, vor 100 Jahren, wurde Schillebeeckx kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs als sechstes von 14 Kindern im belgischen Antwerpen geboren.

  • Teilen:

Fast 75 Jahre war er Ordensmann, 65 Jahre theologischer Lehrer. Für Generationen von Theologen hatte er eine Botschaft. Bis heute unverkennbar ist der Einfluss, den er als Berater beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) hatte. Für manche Entwicklung der Kirche in jüngeren Jahrzehnten hatte er kein Verständnis.

Mit 20 Jahren trat Schillebeeckx in den Orden ein; sieben Jahre später empfing er die Priesterweihe und nahm bald im belgischen Leuven (Löwen) eine Lehrtätigkeit auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging er nach Paris, wo die Dominikaner Yves Congar und Marie-Dominique Chenu seiner theologischen Forschung entscheidende Impulse gaben. 1957 erhielt Schillebeeckx den Ruf als Dogmatiker an der katholischen Universität Nimwegen , an der er bis zu seiner Emeritierung 1983 lehrte.

Der moderne Mensch und das Evangelium

Einige seiner Buchtitel klingen wie eine Programmatik seines Lebens: "Jesus. Die Geschichte von einem Lebenden" etwa oder "Christus und die Christen. Die Geschichte einer neuen Lebenspraxis". Es waren Werke mit einer angenehm schwachen Dosis theologischen Binnenvokabulars. Dabei war - beides widersprach sich nicht - sein theologischer Sprachstil stets ausgesprochen fromm. Auch sprachlich war er ein wunderbarer Erzähler von Gott.

Der Theologe knüpfte bei der Erfahrung des modernen Menschen an und konfrontierte diese mit dem Evangelium. Dabei suchte er die Vermittlung über die Kirche hinaus und träumte von einem besseren Verhältnis von Kirche und Moderne. Sein Werk fand in den Zeiten des kirchlichen Aufbruchs begeisterte Aufnahme.

Der Petersplatz am 12.03.12.
Bild: ©dpa/Riccardo De Luca

Der Petersplatz am 12.03.12.

Mehrfach im Konflikt mit dem Lehramt

Mehrfach stand Schillebeeckx in Konflikt mit dem kirchlichen Lehramt. Bereits 1968 und 1979 musste er sich, beim ersten Mal beraten von seinem "Anwalt" Karl Rahner, zu Anhörungen nach Rom begeben. "Weil ich diese Kirche liebe, bin ich auch nach Rom gegangen, wenn ich zitiert wurde", sagte er einmal. In beiden Fällen wurden die Verfahren eingestellt. Eine Spur Verbitterung blieb.

Auch später hatte der Dominikaner gelegentlich Korrespondenz mit Rom. Er zählte sich selbst zu den "traurigen alten Männern" in der Kirche. Der Theologe, der vor seiner Erkrankung mit den strahlend weißen Haaren so sympathisch wirkte, sah sich selbst in der Kirche als "glücklicher Theologe, der in loyaler Opposition zur katholischen Kirche steht". 2006 rief er Papst Benedikt XVI. zu einer Reform der römischen Kurie auf. Zugleich appellierte er an die Kirche, sich den Problemen der Jüngeren zu stellen. Rom gebe "klare Antworten auf Fragen, die Jüngere sich nicht mehr stellen, während die Fragen, die sie sich stellen, nicht beantwortet werden".

Auf der Suche nach dem lebendigen Gott

Mit seiner Krebserkrankung und dem Nahen des Todes ging Schillebeeckx offen um. "Ich weiß, dass mein Leben dem Ende entgegengeht", berichtete er vor seinem 90. Geburtstag; er erzählte von seiner Krankheitsgeschichte, schlimmen Tumoren, Operationen, Bestrahlungen. Er halte "sehnend Ausschau nach dem lebendigen Gott, in dessen Dienst ich mich gestellt habe". Am 23. Dezember 2009 starb er im Alter von 95 Jahren in seinem Lebensort Nimwegen.

Die Niederländische Bischofskonferenz würdigte damals in ihrem Nachruf die "große Rolle" von Schillebeeckx als Konzilsberater. Als 2004 der Schülerkreis den 90. Geburtstag des Dominikaners mit einem Symposium feierte, fehlte ein offizieller Vertreter der Kirche. Niederländische Medien nannten ihn nach der Todesnachricht einen "Picasso unter den Theologen", aber auch eine "Laus im Pelz des Vatikan".

Von Christoph Strack (KNA)