Kirchen begrüßen Urteil zum Sonntagsschutz

Sonntag als "Ur-Feiertag"

Veröffentlicht am 28.11.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
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Arbeitrecht

Bonn ‐ Die beiden großen Kirchen haben das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Sonntagsschutz begrüßt. Das Leipziger Gericht habe damit einer "uferlosen Freigabe der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen" durch den Landesgesetzgeber zu Recht einen Riegel vorgeschoben, erklärte der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Mittwoch auf Anfrage in Bonn.

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Schon 2009 habe das Bundesverfassungsgericht klar gestellt, dass die Gewährleistung der Arbeitsruhe ein Garant für die Wahrnehmung verschiedener Grundrechte sei. Die Sonn- und Feiertagsgarantie komme dem Schutz von Ehe und Familie ebenso zugute wie der Erholung und Erhaltung der Gesundheit.

Kopp: Gemeinsam begangene Tage haben Bedeutung für Familie

Kopp betonte, in religiöser Hinsicht sei der Sonntag "der Ur-Feiertag der Christen", an dem die Auferstehung Christi gefeiert wird. Dazu gehörten Gottesdienstteilnahme und Arbeitsruhe. Darüber hinaus seien Sonn- und Feiertage auch Familientage. "Gerade in Zeiten zunehmender Arbeitsbelastung und flexibler Arbeitszeiten sind gemeinsam begangene Tage aller Familienmitglieder von besonderer Bedeutung."

Treffen sich regelmäßig im Frühjahr und Herbst zu ihrer Vollversammlung: Die deutschen Bischöfe.
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Treffen sich regelmäßig im Frühjahr und Herbst zu ihrer Vollversammlung: Die deutschen Bischöfe.

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erklärte, die Leipziger Richter hätten zu weit gehenden Ausnahmeregelungen von der Sonn- und Feiertagsruhe Einhalt geboten. "Für Christen ist jeder Sonntag und kirchliche Feiertag ein hohes religiöses Fest", sagte der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Hans Ulrich Anke, am Donnerstag in Hannover. Der Sonn- und Feiertagsschutz sei aber auch ein bewährtes Kulturgut, das über den Schutz des Religiösen noch hinausgehe. Anke betonte, es sei für die Gesellschaft und das Zusammenleben der Menschen wichtig, dass es gemeinsame Ruhetage gebe. "Hinter diesem Anliegen hat ein bloßes Wirtschafts- und Wettbewerbsinteresse zurückzustehen."

Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) begrüßte den Richterspruch. Er sei "ein klares Zeichen an die Arbeitgeber", den Sonntag als Zeit der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zu achten, so die KAB-Vorsitzende Regina-Dolores Stieler-Hinz. Die Botschaft des Gerichts sei eindeutig: "Leben ist mehr als Arbeit, Produktion und Geld verdienen", so Stieler-Hinz. Mehrere Bundesländer hätten durch Ausnahmen für immer mehr Branchen den Sonn- und Feiertagsschutz "völlig ad absurdum geführt".

Verdi und zwei evangelische Dekanate klagten

Der Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) erhofft sich von dem Urteil eine Signalwirkung für die übrigen Bundesländer. "Ich kann nur hoffen, dass diese Entscheidung die Debatte um den Sonntagsschutz neu belebt", sagt der KKV-Vorsitzende Bernd-M. Wehner. Wenn gerade die junge Generation heute zunehmend über Stress und burn-out am Arbeitsplatz klage, "dann auch, weil von der Werkbank bis zur Chefetage der Sonntag als Tag des Abschaltens, des Innehaltens und der Ruhe fehlt". Genauso litten Familien darunter, so Wehner. Denn Eltern und Kindern helfe es nicht, wenn alle zu unterschiedlichen Zeiten frei hätten.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte am Mittwochabend eine Ausweitung der Sonntagsarbeit auf immer mehr Branchen gestoppt. Videotheken und öffentliche Bibliotheken, Callcenter sowie Lotto- und Totogesellschaften in Hessen müssen danach an Sonn- und Feiertagen geschlossen bleiben. Die Sondergenehmigungen der hessischen Landesregierung für diese Gewerbezweige wurden für nichtig erklärt.

„Gerade in Zeiten zunehmender Arbeitsbelastung und flexibler Arbeitszeiten sind gemeinsam begangene Tage aller Familienmitglieder von besonderer Bedeutung.“

—  Zitat: Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz

Inwieweit Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz saisonal für Brauereien und Hersteller von Speiseeis zulässig seien, müsse indes neu geprüft werden. Die Richter verwiesen die weitere Klärung zurück an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht auf Normenkontrollanträge der Gewerkschaft Verdi und zweier evangelischer Dekanate die hessische "Bedarfsgewerbeordnung" von 2011 für teilweise nichtig erklärt.

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wollen auch andere Bundesländer ihre Regelungen überprüfen. Einzelne Länder wie Mecklenburg-Vorpommern kündigten in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sofortige Konsequenzen an. "Wir haben auf diesen Richterspruch gewartet. Er bringt Rechtssicherheit", sagte am Donnerstag ein Sprecher des Schweriner Sozialministeriums. Das Land wolle seine Bedarfsgewerbeverordnung zur Sonntagsarbeit gleich im neuen Jahr überarbeiten. (gho/bod/dpa/KNA)

Kommentar: Ein kleiner Sieg

Die Kirchen jubeln, die Arbeitnehmer-Vertreter jubeln. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat eine Ausweitung der Sonntagsarbeit auf immer mehr Branchen gestoppt. Doch bevor wir uns im Freudentaumel in die Arme fallen, sollten wir noch einmal genau hinschauen. Denn das Urteil gilt nur für Hessen. Und es gilt nur für Videotheken und öffentliche Bibliotheken, für Callcenter und für Lotto- und Totogesellschaften.

Das ist natürlich besser als nichts, aber ein großer Sieg für den Tag der Familie, für den Tag des Herrn sieht anders aus. Denn bei aller Liebe: Wann haben Sie sich zum letzten Mal durch einen Pulk von Cineasten gekämpft, um bei einem der dutzenden Angestellten einer Videothek eine VHS auszuleihen? Genau. Weil die VHS genauso tot ist wie die gesamte Branche. Auch Lottogesellschaften verlieren gegenüber Online-Wettanbietern an Boden und öffentliche Bibliotheken würden einem nicht unbedingt als erstes einfallen, wenn man über florierende Geschäftsmodelle spricht.

Inwieweit Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz saisonal für Brauereien und Hersteller von Speiseeis zulässig seien, müsse indes neu geprüft werden, sagt das Bundesverwaltungsgericht. Das verwundert einen nicht. Denn hier geht es dann um wirklich viel Geld und um jede Menge Arbeitsplätze. Klopfen wir uns also vorerst nur auf die Schulter. Es ist ein kleiner Sieg.

Von Björn Odendahl

Zur Person: Björn Ordendahl ist Redakteur bei katholisch.de