"Frühjahrsputz der Seele"

Veröffentlicht am 06.01.2015 um 23:56 Uhr – Lesedauer: 
Anselm Grün ist ein deutscher Benediktinerpater, Autor spiritueller Bücher, Referent zu spirituellen Themen, geistlicher Berater und Kursleiter.
Bild: © KNA
Dossier: Fastenzeit

Bonn ‐ Für die Mönche der frühen Kirche war das Fasten ein Beten mit Leib und Seele. Benediktinerpater Anselm Grün berichtet, wie und worauf er selbst verzichtet, und gibt Tipps zum Fasten.

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Frage: Pater Anselm, Sie gelten als der Fastenexperte schlechthin, haben viele Bücher zu diesem Thema geschrieben und fasten auch selbst. Was bedeutet Ihnen die Fastenzeit?

Grün: Für mich ist die Fastenzeit eine Trainingszeit in die innere Freiheit; dass ich selber lebe, anstatt gelebt zu werden. Es ist wie ein Frühjahrsputz der Seele oder auch des Zimmers. Wir alle müssen unsere Zimmer und Wohnungen ab und an entrümpeln. Genauso ist die Fastenzeit eine Zeit der Reinigung. Fasten reinigt aber nicht nur den Körper, es geht zudem auch um geistige und seelische Reinigung. So wie der Frühling alles erneuert, so will die Fastenzeit den Menschen innerlich erneuern.

Frage: Wie fastet man richtig?

Grün: Wenn man auch körperlich fasten will, dann braucht man erst einmal einen Entschlackungstag, dann einen Obsttag und eine Darmreinigung. Und dann muss man ganz viel trinken, mindestens drei Liter, das ist wichtig. Möglich ist Wasser, Tee oder auch Saft. Die ersten Tage sind allerdings etwas kritisch, da bekommt man auch schon mal Kopfschmerzen. Und es gibt noch ein Problem, das ich selbst kenne: Nach etwa drei Tagen schmeckt nichts mehr. Das Wasser ist langweilig, und das andere schmeckt auch nicht. Insgesamt sollte man etwa sieben Tage überhaupt nichts essen und dann zwei Tage abfasten, also wenig essen, entweder einen Apfel oder nur eine Scheibe Brot. Wenn man das alles überstanden hat, fühlt man sich ganz frei.

Frage: Kann jeder so ein hartes Fastenprogramm durchstehen?

Grün: Nicht für jeden ist das angebracht. Ich predige auch nicht, dass jeder Mensch genauso fasten sollte. Wer Lust hat, der soll es versuchen und es sich gönnen, aber es gibt auch Menschen, die davor Angst haben. Diese Menschen und die Angst achte ich selbstverständlich auch, und ich würde niemals jemanden drängen und sagen, du musst fasten.

„Der heilige Benedikt sagt, man soll in der Freude des Heiligen Geistes auf Ostern warten.“

—  Zitat: Pater Anselm Grün

Frage: Fasten ist doch aber mehr als nur eine christliche Diät?

Grün: Fasten gibt es natürlich in allen Religionen. Heute weiß man, Fasten ist nichts Grimmiges. Der heilige Benedikt sagt, man soll in der Freude des Heiligen Geistes auf Ostern warten. Fasten soll also aus einer inneren Freiheit heraus geschehen. Man kann auf verschiedene Weise fasten: Es gibt das Autofasten, das Fernsehfasten, es gibt den Verzicht, über andere zu reden. Das ist eine sehr gute Übung, einmal 40 Tage nicht über andere zu reden.

Frage: Wie fasten Sie persönlich?

Grün: Der heilige Benedikt sagt, jeder Mönch soll sich ein Programm vornehmen und es auch mit dem Abt oder dem geistlichen Begleiter absprechen. Das ist wie ein Trainingsprogramm. Wichtig ist dabei, dass es nicht mein Privatvergnügen ist, sondern dass ich soziale Verantwortung habe, da ich es mit jemandem besprochen habe. Und dann muss ich mich auch daran halten.

Frage: Worin besteht denn die spirituelle Dimension des Fastens?

Grün: Zum einen habe ich mehr Zeit, weil ich nicht esse oder weil ich auf andere Dinge verzichte. Zum anderen intensiviert das Fasten das Beten. Es macht die Träume klarer, und ich bin einfach präsenter und innerlich freier.

Das Interview führte Ulrike Nowak