Diesmal keine Italiener
Zudem wird er das Konsistorium zum Meinungsaustausch mit seinem Beratergremium nutzen. An Gesprächsstoff herrscht ja derzeit kein Mangel.
Nachdem beim letzten Konsistorium die Kurialen und damit auch die Italiener dominierten, wollte Benedikt XVI. diesmal deutlich andere Akzente setzen. Daher müssen sowohl der neue Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, wie auch der Bibliothekar und Archivar der Kirche Jean Louis Brugues auf den Kardinalspurpur warten. Gleiches gilt für die Chefs des Familien- und des Neuevangelisierungsrates, Vincenzo Paglia und Rino Fisichella.
Stattdessen wählte Benedikt XVI. diesmal Vertreter der Weltkirche, besonders der Ostkirchen, aus. Ein deutliches Signal ist die Erhebung des im Libanon residierenden maronitischen Patriarchen Bechara Boutros Rai, der vor einem Monat Gastgeber des Papstes bei seiner spektakulären Nahost-Reise war. Benedikt XVI. wollte damit eine bedrängte Kirche in einer Krisenregion ehren. Das gilt ähnlich für den Inder Baselios Cleemis Thottunkal, syromalankarischer Großerzbischof von Trivandrum, dessen Gläubige immer wieder Gewalt radikaler Hindus ausgesetzt sind.
Nominierungen nach Asien und Afrika
Weiter nominierte der Papst je einen Diözesanbischof aus Afrika, aus Asien und aus Lateinamerika. Dass dazu der Erzbischof von Manila gehörte, Luis Antonio Tagle, war absehbar. Denn nach Brasilien und Mexiko haben die Philippinen mit 75 Millionen die dritthöchste Katholikenzahl weltweit. Zudem hat sich Tagle soeben bei der Bischofssynode durch seine Wortmeldungen zu Kirche und Gerechtigkeit profiliert.
Nicht überraschend war weiter die Ernennung von John Olorunfemi Onaiyekan. Er gehört zu den bedeutendsten Kirchenführern Afrikas, war lange Präsident des kontinentalen Bischofsrates SECAM. Er leitet die Nigerias Hauptstadtdiözese Abuja; das Land hat die zweitgrößte Katholikenzahl Afrikas. Zudem ist er seit zwei Jahrzehnten regelmäßig Delegierter bei den Weltbischofssynoden. Mit Ruben Salazar Gomez bekommt schließlich auch Kolumbien wieder einen Kardinal, der an einer Papstwahl teilnehmen könnte; zwei Landsleute haben die Altersgrenze überschritten.
Die große Überraschung des Konsistoriums ist die Kardinalserhebung vom James Michael Harvey, des Präfekten des Päpstlichen Hauses. Seit 14 Jahren übte der US-amerikanische Vatikandiplomat dieses wichtige Amt aus; er entschied maßgeblich über die Audienzgäste des Papstes. Wie sein Vorgänger wird Harvey nun Kardinal und erhält das würdevolle Amt eines Erzpriesters der päpstlichen Pauls-Basilika. Gerätselt wird nun, wer seine Nachfolge antritt; möglicherweise wieder ein Vatikandiplomat mit langjähriger Erfahrung im Staatssekretariat.
Obergrenze an wahlberechtigten Kardinälen genau erreicht
Mit "nur" sechs neuen Kardinälen steht dem Vatikan diesmal ein kleines Konsistorium hervor. Benedikt XVI. respektiert damit die Obergrenze von 120 papstwahlberechtigten Kardinälen; mit den sechs neuen Kardinälen erreicht er zum Tag des Konsistoriums genau diese Zahl.
Entsprechend lang ist die Liste derer, die noch nicht mit dem Kardinalspurpur ausgezeichnet werden. Weder der Oberhirte von Turin noch der Patriarch von Venedig sind dabei. Auch die Bischöfe von Rio de Janeiro, Santiago de Chile, von London, Tokio, Los Angeles oder Brüssel müssen auf ihre Stunde warten. Dass kein Deutscher zu den Erwählten gehört, hängt sicher auch damit zusammen, dass zuletzt gleich zwei ins Konsistorium einzogen: Rainer-Maria Woelki und Karl Josef Becker.
Neben der Aufnahme neuer Mitglieder dient die Versammlung der Kardinäle aber stets auch der Beratung und dem Meinungsaustausch. Neben den Bischofssynoden und den (seltenen) vatikanischen Kabinettssitzungen ist das Konsistorium der Ort, wo der Papst sein wichtigstes Beratergremium zusammenruft. Gesprächsstoff dürften etwa die Einigungsbemühungen mit den Piusbrüdern und auch die "Vatileaks"-Affäre bieten. Deren Auswirkungen für das Image der Kirche sind noch nicht absehbar.
Von Johannes Schidelko