Bislang nur Lob für das Jesus-Buch

"Kein Anspruch auf Unfehlbarkeit"

Veröffentlicht am 23.11.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Italienische Ausgabe des dritten Jesus-Buchs von Papst Benedikt XVI.
Bild: © KNA
Papstbuch

Bonn ‐ Es scheint ein neuer Bestseller zu werden: Mit einer weltweiten Startauflage von einer Million Büchern – davon 100.000 in Deutschland – ist der dritte Band der Jesus -Trilogie von Papst Benedikt diese Woche gestartet. Die Nachfrage sei groß, bestätigen nicht nur Buchhändler, sondern auch die stündlich aktualisierte Verkaufsliste von Amazon.de, wo das Buch am Donnerstag bis auf Rang 14 kletterte.

  • Teilen:

Anders als bei den ersten Bänden 2007 und 2011, fand sich in den Zeitungen Deutschlands bislang keine Negativ-Kritik, bis hin zu den eher linksliberalen "Süddeutsche Zeitung" und "Frankfurter Rundschau" reagierten die Rezensenten wohlwollend auf "Jesus von Nazareth – Prolog: die Kindheitsgeschichten". Der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding, der zu beiden Vorgängerbänden eigene Bücher mit inhaltlichen Antworten von Theologen herausgebracht hatte, bewertete das neue Papstbuch bei katholisch.de als für den normalen Leser wie den Experten gehaltvoll.

"Ich habe es gerne gelesen, das Buch ist eine anspruchsvolle Meditation", sagte Söding. Es leiste für die Exegeten einen guten Beitrag über die Kindheitsgeschichten von Jesus. Eine Lektüre sei auch für Nichttheologen geeignet, da sich Benedikt XVI. nicht in theologische Fragestellungen verkrampfe, die Publikation aber dennoch theologischen Tiefgang habe. Seine Empfehlung: "Das Buch als Vorbereitung auf die Christmette für alle, die sich fragen, warum sie an Weihnachten überhaupt noch in die Kirche gehen".

Klare Position bei Jungfrauengeburt und Bethlehem

Der Bochumer Theologieprofessor Thomas Söding.
Bild: ©Boente/Kirchensite

Der Bochumer Theologieprofessor Thomas Söding.

Nach den Worten des Neutestamentlers polarisiert der Papst mit dem Buch, "aber nicht auf aggressive Weise, sondern mit seinem Vertrauen auf eine historische Substanz in den biblischen Geschichten". Das Kirchenoberhaupt zitiere etwa bei seiner Argumentation für die Jungfrauengeburt "nicht ungeschickt" den evangelischen Theologen Karl Barth, nach dem Gott bei der Geburt Jesu aus der Jungfrau und dessen Auferstehung in die materielle Welt eigegriffen habe. Leser müssten sich schon vom Papst "an die Hand nehmen" und durch das Buch führen lassen, sagte Söding.

Nach seiner Auffassung bezieht Benedikt XVI. auch in dem neuen Band klare Position bei Themen, die bei den Bibelwissenschaftlern umstritten sind. Während viele Theologen von einer Geburt Jesu in Nazareth ausgingen, die in den Evangelien aus theologischen Gründen nach Bethlehem verschoben worden sei, trete der Papst für Bethlehem als den historischen Geburtsort ein. Söding äußert Zweifel, ob das wirklich eine historische Tatsache ist: "Hier befinden wir uns in einer Grauzone, hinter die ich ein großes Fragezeichen setzen würde".

„Der Papst erhebt keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit.“

—  Zitat: Thomas Söding

Für seine Arbeit als Theologe sei es jedoch angenehm, dass der Papst in seinem Buch "keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit" erhebe. Es handele sich um eine wichtige Interpretation, aber auch nur um eine wissenschaftliche Position unter vielen Exegeten. Theologen dürften vor dem Buch "nicht in die Knie" gehen und müssten etwaige Dogmatisierungsversuche einzelner Personen abwehren, sagte Söding. Benedikt XVI. habe seine Jesus-Bücher auch unter dem Namen Joseph Ratzinger veröffentlicht und schon beim ersten Band die Fachleute zum Widerspruch eingeladen.

Lob von Presse und Bischöfen

Während die Exegeten womöglich ihre Anmerkungen und Widersprüche in einem weiteren Buch publizieren, sind die Zeitungskommentare bislang positiv. Es mag daran liegen, dass der Papst wirkliche Aufreger-Themen vermeidet und auch Seitenhiebe gegen den Zeitgeist oder einen schwindenden Glauben in der westlichen Welt selten sind. "Nur an wenigen Stellen wirkt noch die Streitlust des Professors Joseph Ratzinger nach", beschreibt es Joachim Frank in der Frankfurter Rundschau. Wenn Benedikt XVI. pastorale Anmerkungen mache, tue er das "zurückhaltender als manche Exegeten in wissenschaftlicher Selbstgewissheit".

Auch die deutschen Bischöfe empfehlen ihren Gläubigen den schmalen Band: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, schlägt vor, es als Weihnachtsgeschenk unter den Baum zu legen, der Hamburger Erzbischof Werner Thissen spricht von einer "kostbaren Miniatur". Das Papst-Buch erfordere zwar Konzentration, weil es die Kindheitsgeschichten Jesu mit den Weissagungen aus dem Alten Testament verbinde, sei aber "enorm erhellend", so Thissen gegenüber KNA. Nach den Worten seines Würzburger Kollegen Friedhelm Hofmann zeigt sich in dem Buch die "tiefe spirituelle Freundschaft" des Papstes mit Jesus und verbindet mit dessen "umfassenden theologischen Wissen" . "Das Buch wird ein Bestseller werden", sagt der Bischof und ist sich damit mit dem Freiburger Verlag Herder einig: Sprecher Andreas Bernheim hofft, dass der Verlag nicht noch knapp zwei Wochen auf die offiziellen Auswertungen der Verkaufszahlen von Büchern warten muss, sondern dass "Jesus von Nazareth" gleich in den Bestsellerlisten landet.

Von Agathe Lukassek

Hintergrund

Zum Artikel: "Was der Papst zu sagen hat" - Papst Benedikt XVI. schließt seine Buch-Reihe über Jesus ab