Zwischen Schauder und Behagen
Geprägt hat diese lyrisch-liebevolle Beschreibung der wohl berühmteste Sohn der Stadt: Theodor Storm. Der Autor zahlreicher Gedichte, Novellen wie "Der Schimmelreiter" und Märchen wie "Der kleine Häwelmann" wurde in Husum geboren, verbrachte den Großteil seines Lebens dort und liegt auf dem Kirchhof begraben. Am heutigen Donnerstag jährt sich sein Todestag zum 125. Mal.
Storm wurde am 14. September 1817 als Sohn eines Rechtsanwalts geboren. Bereits als Jugendlicher schrieb er Gedichte, als Zwölfjähriger beispielsweise Trauerverse für seine gestorbene Schwester Lucie. Mit 16 Jahren veröffentlichte er "Sängers Abendlied" im "Husumer Wochenblatt"; seine Lehrer betrachteten ihn als Poeten. Nach seinem Studium in Kiel, Berlin und Dresden zog es ihn zurück in die Heimat: Ab 1843 arbeitete er als Rechtsanwalt, zunächst in der väterlichen Kanzlei, bald in seiner eigenen. Zur selben Zeit begann er, Sagen und Reime aus Schleswig-Holstein zu sammeln - Material für das Werk, das sein berühmtestes werden sollte: "Der Schimmelreiter". Sein Erscheinen jährt sich fast zeitgleich mit Storms Todestag.
Nur heimisch im Norden
Bekannt wurde der Schriftsteller jedoch zunächst mit der Novelle "Immensee" (1852). Sein Brot verdiente er als Gerichtsassessor in Berlin, später als Amtsrichter in Husum. Das kulturelle Leben der Stadt prägte er auch als Chorleiter und Sänger. Zudem stand er in Verbindung mit vielen kreativen Köpfen seiner Zeit, etwa mit Theodor Fontane, Gottfried Keller und Eduard Mörike. 1880 erbat Storm seine Pensionierung, um noch eine neue Schaffensperiode zu beginnen. Seine Altersjahre verbrachte er in Hademarschen.
Nur im Norden hat Storm sich heimisch gefühlt. "Er brauchte, wie er es einmal beschrieben hat, die äußerliche Enge, um innerlich in die Weite zu gelangen", sagt Christian Demandt, Leiter des Husumer Storm-Zentrums. Die Schauplätze seiner Heimat beschrieb der Dichter ganz im Sinne des poetischen Realismus: Historische Personen und aktuelle Geschehnisse wie den deutsch-dänischen Krieg wob Storm in seine Werke ein. Zugleich enthalten sie fantastische Elemente. Der "Schimmelreiter" zieht den Leser nicht zuletzt durch gruselige Momente in seinen Bann.
"Im 'Schimmelreiter' begegnen sich zwei Sichtweisen auf die Welt: die mythisch-märchenhafte und die frühneuzeitliche, die die Aufklärung vorwegnimmt", erklärt Demandt. Dadurch, dass die Novelle aus der subjektiven Sicht dreier Figuren erzählt wird, fehlt jedoch eine Auflösung, welches die "wahre" Geschichte ist - ganz abgesehen davon, dass Storm Passagen aus Sagen ebenso übernahm wie eigene Erinnerungen an die Gruselgeschichten, die er als Kind "zwischen Schauder und Behagen" gehört hatte. Das Widersprüchlich-Schwebende prägt nicht nur sein Werk, sondern auch Storm als Person: Er betrachtete sich selbst als nüchtern-aufgeklärten Menschen, glaubte jedoch an Geister. "Der Aberglaube tritt für ihn an die Stelle des verloren gegangenen Christentums", so die Einschätzung von Storm-Experte Demandt.
Klage über fehlenden Gottesglauben
Hatte er die zwischenmenschliche Liebe in einem Brief an seine erste Frau Constanze als "unmittelbare Gottheit" beschrieben, so beklagte Storm nach ihrem Tod, dass er nicht an Gott glauben könne. Das Kreuz ist für ihn, wie er es in einem Gedicht nannte, ein "Bild der Unversöhnlichkeit". Aus seiner kindlichen Freude an Weihnachten und seinem unbedingten Glauben an die Liebe spricht dennoch eine Hoffnung auf etwas, das über das Irdische hinausweist.
Seinen Zeitgenossen blieb Theodor Storm wie eine Märchengestalt im Gedächtnis. Wie ihn Franziska Gräfin zu Rewentlow in ihren Erinnerungen beschreibt - "der kleine, gebeugte Mann mit dem langen, schlohweißen Bart und den milden, hellblauen Augen, der in seinem schwarzen Beamtenrock so still und unauffällig einherging" -, so sahen sie ihn Tag für Tag auf Spaziergängen: die Bewohner der grauen Stadt am Meer.
Von Paula Konersmann (KNA)