Päpstin Franziska und Co.
Die drei Buchstaben, die der Schau ihren Namen geben, stehen für das Wort "Evolution", für die Entwicklung der verschiedenen Religionen. Bei einem Rundgang mit den beiden Kuratorinnen Marie-Luise Kreiss (historische Binnenausstellungen) und Marianne Pitzen (künstlerischer Teil) erschließt sich die Organisation des beeindruckenden Ausstellungsprojektes, das unter der Schirmherrschaft der streitbaren katholischen Theologin Uta Ranke-Heinemann steht. Das Plakat zur Schau ziert eine Darstellung von Maria Magdalena: Tilman Riemenschneider zeigt die Heilige, die ihre Sünden bereut hat und von Engeln zum Himmel erhoben wird.
Sie steht sinnbildlich für viele starke Frauen, deren Geschichte zu ihrem Nachteil umgedeutet wurde, betonen Marie-Luise Kreiss und Marianne Pitzen. Angelika Wittek hat die Gottesmutter Maria auf Trümmer gestellt – als kritische Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche, die den Frauen immer noch nicht den gleichen Stellenwert wie den Männern einräumt.
Maria sieht aus wie der Rockstar Pink
Dass dies in den früheren Religionen anders war, zeigt eine Binnenausstellung mit den Leihgaben des Bonner LVR LandesMuseums und des Frauenmuseums Wiesbaden. Die 'Ausstellung in der Ausstellung' verdeutlicht, dass Bonn einst das Zentrum des Matronenkults war. Das bezeugen germanisch-ubische und römische Göttinnen aus dem 1. bis 3. Jahrhundert. Einige Terrakotten von weiblichen Gottheiten sind erstmals öffentlich zu sehen.
In der ersten Etage gibt die Binnenausstellung "Weltreligionen – Weltfrieden – Weltethos" der Stiftung Weltethos von Hans Küng einen Überblick über die verschiedenen Religionen und Auskunft auf die Frage, wie die Weltreligionen mit dem Thema Ethik umgehen. Von diesem Mittelpunkt des Raumes wird der Besucher in die Weltreligionen aus Künstlerinnen-Sicht geführt. Das Jüdische Museum Berlin hat die Ausstellung "Fräulein Rabbiner Jonas" ausgeliehen, die Geschichte der 1902 geborenen ersten deutschen Rabbinerin. Sie wurde im KZ Auschwitz umgebracht. Im Raum nebenan zeigt Margit Goeltzer eine Maria mit Jesuskind, die mit Sonnenbrille und blonder Kurzhaarfrisur aussieht wie der Rockstar Pink. Barbara Lorenz Höfer hat Reise-Altäre gestaltet und Betstühle mit modischen Sitzkissen mit einem weiblichen Antlitz verziert.
Sinnliches Hohelied und brutale Steinigung
Gamma Thesa Terheyden erinnert mit ihrer Installation an das sinnliche Hohelied, daneben zeigt Maria Redkin eine junge jüdische Frau mit Thora. Die Iranerin Parastou Forouhar hat nach der Ermordung ihrer Eltern das Thema Gewalt im Islam zu ihrem Thema gemacht. Sie zeigt Pistolen und Messer, in deren kunstvoller Ornamentik Gewaltszenen versteckt sind.
Geradezu verstörend wirkt die Installation "120 mm Stone" ihrer iranischen Landsfrau Homa Emami, die mit ihrer fragilen Foto-Holzinstallation Steinigungen von Frauen anprangert. Bei diesen Hinrichtungen werden Frauen so eingegraben, dass nur noch ihr Kopf hervorschaut und dann mit Steinen beworfen, die bürokratisch-exakt nicht mehr und nicht weniger als 120 Millimeter durchmessen dürfen.
Wie es sich anfühlt, am ganzen Körper verhüllt zu sein wie eine islamische Gläubige, das demonstriert Firouzeh Görgen-Ossouli mit ihrer Gebetsnische. Viele der 1.000 Besucher am Eröffnungstag am vergangenen Wochenende konnten sich überzeugen, wie das ist, wenn kein Lüftchen mehr an die Haut kommt. Wendy Hack hat der Hindu-Göttin Saraswati einen Altar gebaut, Ulrike Oeter der Göttin Kali. Lavanya Boesten verbindet ihre indische Herkunft mit ihrer deutschen Heimat und zeigt auf ihren Fotos hinduistische Rituale in deutschen Landschaften: im Rapsfeld, am Meer und unter Waldanemonen.
Schockierend wirkt die von Manuele Klein und Detlev Weigand gestaltete Wand mit kleinen Altären und Kreuzen, die den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche thematisiert. Denn unter den heiligen Zeichen und Symbolen finden sich auch Bilder der Anklage und des Schreis. Links vor der Wand steht ein trister Vogelkäfig mit einem stummen Baby.
Leinwandgöttinnen Garbo und Monroe
"Es gibt viele religionskritische Aspekte in der Ausstellung, aber auch ganz viele positive Entwürfe", sagt Pressesprecherin Klaudia Nebelin. "Viele Künstlerinnen trauen sich, mit positiven Zukunftsvisionen aufzutreten."
Das zeigt sich auch und vor allem im zweiten Stock des Frauenmuseums, in dem "EVO" noch ein wenig bunter und fröhlicher daherkommt. Ins Auge sticht dort sofort Chris Bleichers Neon-Rauminstallation "BRÜCKE INS LICHT". Es ist ihr eigener Frauensarg, der ausschaut wie aus den fröhlichen Woodstock-Zeiten. Renate Hochscheid zeigt vor einem großen schwarzen Hintergrund Göttinnen der Leinwand wie die Garbo oder die Monroe. Marlene Leal da Silva Quabeck hat mitten in ihre rot umtüllte Frauenlandschaft eine jüdische Weisheit gepinselt: "Die Frau, die ihre Pflichten erfüllt, die ist schon bei Gott. Es ist der Mann, der sich hier erst beweisen muss." Und am Ein- und Ausgang begrüßt den Besucher freundlich Heidi Adrians Bild einer Päpstin Franziska. Sie ist schwanger und schwarz.
Von Sascha Stienen