Zwei Religionen, ein Wörterbuch
Nach sieben Jahren des Ringens um Begriffe und Bedeutungen in etlichen Redaktionssitzungen präsentierte die Eugen-Biser-Stiftung am Dienstag in München ihr "Lexikon des Dialogs", zunächst in seiner deutschen Fassung. In wenigen Wochen soll die türkische Version folgen.
Was heißt "Seele" auf Türkisch, wie macht man einem Muslim klar, was ein christliches Sakrament ist - und darf man "Allah" eigentlich übersetzen? Mit diesen Problemen mussten sich die rund 50 türkischen und 25 deutschen Autoren herumschlagen. Herausgekommen ist ein zweibändiges Kompendium. Auf rund 850 Seiten werden 660 Stichworte abgehandelt, von A wie Abendmahl bis Z wie Zorn Gottes.
Nicht nur für Fachleute
Zu einigen Begriffen finden sich je eine christliche und muslimische Erläuterung nebeneinander. Im Laufe der Arbeit zeigte sich aber auch, dass sich in der religiösen Gedankenwelt des Gegenübers oder auch in dessen Muttersprache keine angemessene Entsprechung finden lässt - also mussten sprachliche Neuschöpfungen her.
Das Lexikon wendet sich nicht nur an Fachleute. Auch Oberstufenschüler, Lehrer, Erwachsenenbildner oder Entscheider in Politik und Wirtschaft sollen damit solide Informationen auf wissenschaftlicher Basis an die Hand bekommen, um das bisher Fremde besser verstehen zu können.
Hauptherausgeber Richard Heinzmann (80), emeritierter christlicher Religionsphilosoph in München und Verwalter des geistigen Nachlasses von Eugen Biser, ist selbst überrascht, welche Erkenntnisse er bei der jahrelangen Arbeit an dem Nachschlagewerk gewonnen hat: Etwa dass der vielfach als Schlagwort kursierende "Dschihad" nicht einfach mit dem von Päpsten in der Kreuzzugszeit geprägten Kampfbegriff "Heiliger Krieg" gleichgesetzt werden dürfe. Dschihad meine vielmehr zunächst und zuerst eine individuelle geistliche Anstrengung des Muslims im Sinne von Selbstdisziplin oder auch Askese.
Prominente öffentliche Geldgeber haben sich das Pionierprojekt etwas kosten lassen: die Europäische Union, der Bundestag, das Bundesinnenministerium sowie mehrere Stiftungen. Das liefert einen Hinweis darauf, wie sehr die Politik die Bedeutung des interreligiösen Dialogs für das Gelingen von Integration ernst nimmt. Immerhin leben mehr als drei Millionen Muslime türkischer Abstammung in Deutschland.
Englische Version in Vorbereitung
Heinzmann ist wie Hans Küng überzeugt, dass es ohne ein friedliches Miteinander der Religionen keinen Weltfrieden geben kann. Und er glaubt, die drei monotheistischen Religionen Christentum, Judentum und Islam könnten viel zur Überwindung von Spannungen beitragen, wenn sie noch mehr ihre gemeinsamen Wurzeln entdeckten: nämlich die enge Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe . Das Wörterbuch sei da nur ein Schritt, wenn auch kein unwichtiger, auf einem weiten Weg.
Experten wie der an der Päpstlichen Gregoriana lehrende Islamwissenschaftler und Jesuit Felix Körner sehen im Nachschlagewerk einen Meilenstein - mit Einschränkungen. Der türkische Islam, gerade in seiner vergleichsweise modernen Interpretation durch die theologische Fakultät seiner Hauptstadtuniversität, ist nicht gerade repräsentativ für die muslimische Welt. Auch ist noch offen, ob das Lexikon ins Arabische übertragen wird, was zu Beginn des Projekts fest geplant war. Eine englische Fassung ist allerdings schon in Vorbereitung.
Das Wörterbuch ist eine erste greifbare Frucht des "Dialogs aus christlichem Ursprung", dem sich die Biser-Stiftung verpflichtet weiß. Dieser müsse jetzt aber auch weitergehen, betont Heinzmann: in Klassenzimmern und Hörsälen, Büros und Behördenstuben - nicht nur in Deutschland.
Von Christoph Renzikowski (KNA)