Neuer Atem, neues Licht
Vor allem aber sorgen sie dafür, dass die persönliche Verweildauer vor Michelangelos Jüngstem Gericht und den Fresken von Botticelli, Ghirlandaio, Perugino nicht zu lange ausgedehnt wird. Die Kirche möchte ihre Kunstwerke und Kulturgüter möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Allerdings stößt das hehre Konzept der vatikanischen Museums-Verantwortlichen inzwischen an Grenzen. Der Besucherstrom schadet den fast 500 Jahre alten Fresken.
Feuchtigkeit, Atemluft und Körpertemperatur, vor allem aber der ständig aufgewirbelte Staub belasten die Wandmalereien. Schon vor Jahrzehnten wurden Klimaanlagen installiert und später ausgebaut. Ein kompliziertes Unterfangen, weil der Einbau der Statik der alten Bausubstanz Rechnung tragen muss. Gegen den Feinstaub ging man nacheinander mit Teppichen, Staub-Barrieren und Luftfiltern vor.
Allerdings waren die zuletzt 1994 eingebauten Anlagen für eine Jahreskapazität von gerade einmal zwei Millionen Besuchern ausgelegt. Ende des Monats werden nun ein neues Belüftungssystem und zugleich eine neue Beleuchtungsanlage in der Papstkapelle in Betrieb genommen.
Bedeutsames Restaurierungsprojekt
Mit dem dem Vatikan eigenen Gespür für Symbolik erfolgt die neue Maßnahme im 450. Todesjahr Michelangelos (1475-1564). Zugleich sind es 20 Jahre seit Abschluss der nicht unumstrittenen Jahrhundertrestaurierung, bei denen der Vatikan durch eine gründliche aber behutsame Reinigung die alten Farben des Künstlers wieder ans Licht brachte.
Längst nicht alle waren damals mit der Neupräsentation einverstanden. Nicht wenige vermissten die schummrige Atmosphäre und die Patina, die die Gemälde durch Kerzen- und Ofenruß fast mystisch verdunkelte.
Im Nachhinein seien diese Kritiker widerlegt, betonte jetzt der Generaldirektor der Vatikanischen Museen, Antonio Paolucci. Die Arbeiten an der Sixtina bildeten das vermutlich bedeutsamste Restaurierungsprojekt des 20. Jahrhunderts. Zur Präsentation der neuen Anlagen laden die Vatikanmuseen am 30. und 31. Oktober zu einem Fachkongress unter dem Thema "Neuer Atem, neues Licht" ein.
Oft unzumutbare Wartezeit
Nicht festlegen wollte sich Paolucci unterdessen auf eine Zugangsbeschränkung, die Kunstexperten immer wieder für die vatikanischen Museen und insbesondere für die Sixtina fordern. Mit den sechs Millionen habe man eine Obergrenze erreicht, meinte er. Nicht äußern wollte er sich zu Perspektiven, dass der zuletzt kontinuierlich gestiegene Besucherstrom noch weiter anwachsen werde.
In der Tat müssten sich die Zuständigen etwas einfallen lassen. Denn das Geschiebe und Gedränge durch die langen Museumsgänge und die Wartezeit vor wichtigeren Exponaten erscheint mitunter unzumutbar. Und Sondermaßnahmen, wie sie zu Recht für die Sixtina getroffen werden, wären auch für andere Bereiche wünschenswert, die weitgehend ungeschützt den Besucherströmen ausgesetzt sind.
Für die neuen Anlagen hat der Vatikan zwei Sponsoren gefunden. Die Firmen "Carrier" und "Osram" hätten großzügig die Anlagen zur Verfügung gestellt, betonte Paolucci. Generell nutzt der Vatikan seine Kunstschätze auch für zusätzliche Einnahmen. So sind Räume der Museen, einschließlich der Sixtinischen Kapelle auch außerhalb der festen Besucherzeiten zu besichtigen. Und bei solchen Gelegenheit hat man dann die Möglichkeit, in einem fast leeren und ruhigen Raum die Werke des Weltkulturerbes auf sich wirken zu lassen - und kann auch wieder ihre Bedeutung als Sakralräume erahnen.
Von Johannes Schidelko (KNA)