Schwester Cristina Scuccia veröffentlicht ihre erste Single

Das singende Werkzeug Gottes

Veröffentlicht am 24.10.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Italien

Bonn ‐ Die Nonne Cristina Scuccia (26) war nach ihrem Sieg bei der Musikshow "The Voice of Italy" zunächst abgetaucht. Diese Woche stellte sie das Video zu ihrer ersten Single vor – eine Balladen-Version von Madonnas 30 Jahre alten Pop-Hit "Like a Virgin". Im Interview mit der italienischen Tageszeitung "Avvenire" erklärt sie, was ihr der Titelgewinn bedeutet, wie es zu dieser Cover-Version kam und warum sie auf einen Anruf von Papst Franziskus hofft. Katholisch.de hat das Interview übersetzt.

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Frage: Schwester Cristina, wie kam es Ihnen in den Sinn "Like a Virgin" von Madonna zu singen?

Scuccia: Ich habe das ausgewählt, ohne provozieren oder schockieren zu wollen. Wenn man den Text liest ohne sich beeinflussen zu lassen, entdeckt man, dass es ein Lied ist über die Fähigkeit der Liebe, die Menschen neu zu machen, sie von ihrer Vergangenheit zu befreien. Und genau so wollte ich dieses Lied interpretieren. Deshalb haben wir es von dem Pop-Dance-Stück, das es war, in eine romantische Ballade verwandelt, ein bisschen wie Amos Lee (ein US-amerikanischer Singer-Songwriter, Anm. d. Redaktion). Also zu etwas, das eher dem Gebet eines Laien ähnelt als einem Pop-Stück.

Frage: So betrachtet scheint es als würden Sie vom Hohelied Salomos sprechen.

Scuccia: Von einem poetischen Blickpunkt aus greift das Lied zurück auf eine reiche Tradition, zu der viele wichtige Texte dazugehören. Wie auch immer, ich bin auf jegliche Kritik vorbereitet, denn wir haben an diesem Album mit Ernst und Sittsamkeit gearbeitet.

Frage: Hat Madonna das Stück schon gehört?

Scuccia: Nein, aber ich würde gerne ihr Gesicht sehen, wenn sie es tut und man ihr sagt, dass es eine Ordensschwester ist, die es singt.

Frage: Was bedeutet es für Sie, dass auf der ganzen Welt, von Australien bis zu den Philippinen, von Südamerika bis nach New York wahrscheinlich hunderttausende Menschen Ihr Album kaufen werden?

Scuccia: Das habe ich noch nicht realisiert. Denn alles, was passiert ist, hängt nicht von mir ab. Ich habe noch keine Vorstellung von dem, was gerade passiert. Ich fühle mich winzig vor all dem. Ich bin 26 Jahre alt, ich bin klein. Aber ich weiß, dass ich eine große Verantwortung habe, dass ich ein Zeugnis geben muss. Und das tue ich gerne. Denn ich bin begeistert, dass ich Christus gefunden habe und ich möchte, dass jeder ihm begegnet.

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Frage: Haben Sie es je bereut, an der Talentshow "The Voice" teilgenommen zu haben, die Sie zu einem Star gemacht aber auch Ihr Leben umgekrempelt hat?

Scuccia: Manchmal ja. Besonders nachdem ich gewonnen hatte, habe ich eine fast schon krankhafte Neugier von Seiten der Medien gespürt. Gewisse Fotografen folgten mit überallhin. Es war ein Drahtseilakt, in die Messe gehen zu können ohne entdeckt zu werden.

Frage: Wie schaffen Sie es, den Druck der Fans, Medien und Kritiker zu erdulden?

Scuccia: Nach dem Sieg bei "The Voice" habe ich den Stecker gezogen. Ich habe mich hier in der Gemeinschaft , eingeschlossen. Ich habe geschwiegen und viel gebetet. Ich habe mich auf die Tatsache konzentriert, dass ich meine zeitlichen Gelübde erneuern musste, also eine Sache, die für mich das Wichtigste ist: mein geistliches Leben zu wahren.

Frage: Vielleicht liegt es daran, dass es zum ersten Mal passiert, aber es ist nicht leicht, sich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass eine Nonne ein Welt-Popstar werden könnte.

Scuccia: Auch für mich ist es nicht leicht. Das, was mich mit den Füßen am Boden hält, ist, dass ich zu einer Gemeinschaft dazugehöre, die mir hilft und mich schützt. Und zu wissen, dass ich ein Werkzeug in Gottes Hand bin und nicht ein Popstar. Ich weiß, dass das schwer zu glauben ist, aber wenn ich mich verstecken könnte, würde ich es gerne tun. Ich bin eine unsichere junge Frau und voll von Ängsten. Auf der Bühne wirke ich ganz sicher, aber hinter den Kulissen zittere ich wie ein Blatt im Wind.

Frage: Aber warum haben Sie sich - anstatt aufzugeben und das alles abzuschließen - dazu entschlossen, auf der ganzen Welt aufzutreten? Das sind Entscheidungen, die unvermeidlicherweise großes Aufsehen erregen.

Scuccia: Weil ich eine große Gabe habe: meine Stimme. Und ich kann sie nicht verstecken, sondern muss sie Frucht bringen lassen für ein größeres Gut, für die Gemeinschaft. Und dann hilft mir mein unsicheres Wesen- zusammen mit den Mitschwestern – immer zehn Schritte zurück zu bleiben und mir nichts zu Kopf steigen zu lassen.

Frage: Wie kann man so eine Gabe rein halten, wenn es um Business, Geld und Erfolg geht?

Scuccia: Man muss sich das jeden Tag bewahren. Deswegen versuche ich, das alles mit dem größtmöglichen Abstand zu betrachten. Deshalb bete ich viel.

„Ich fühle mich als ein demütiges Werkzeug, das hofft, der Kirche nützlich zu sein in einem Jahr, das so wichtig ist für das geweihte Leben.“

—  Zitat: Schwester Cristina Scuccia

Frage: Ein Album, das auf der ganzen Welt erscheint, bedeutet auch stattliche Erträge. Ihr Orden sieht unter den Gelübden auch die Armut vor. Wer verwaltet das Geld, das ankommen wird?

Scuccia: Fürs Erste: Seit "The Voice" ist nichts angekommen. Wenn es kommt, habe ich keine Zweifel: Wir werden es verwenden, um wohltätige Projekte der Ordensgemeinschaft zu unterstützen. Für unsere Einrichtung in Brasilien, aber auch für ein Projekt in meiner Heimat Sizilien, wo es nicht an Armut fehlt. Ich könnte mir vorstellen, auch anderen Vereinigungen zu helfen. Was auch passiert, ich werde jede Entscheidung mit der ganzen Kongregation fällen.

Frage: Ob das ausreicht, um all diejenigen zu überzeugen, die Sie kritisieren, weil eine Ordensfrau sich nicht im Fernsehen zur Schau stellen sollte?

Scuccia: Die beste Antwort für Menschen, die so denken, bin nicht ich, sondern Papst Franziskus. Die Kirche ist, so wie er es uns zeigt, lebendig. Man muss rausgehen und die Leute treffen. Und dann sollte jeder seine Talente der Gemeinschaft zur Verfügung stellen. Auch auf die Gefahr hin, gegen den Strom zu schwimmen.

Frage: Haben Sie Papst Franziskus je getroffen oder – vielleicht am Telefon – gehört?

Scuccia: Nein, aber ich kann es kaum erwarten, ihn zu treffen. Ich wünschte, dass er mir seinen Segen gibt und eine Art offizielles "Mandat", um in die ganze Welt zu gehen und zu singen.

Frage: Sie unterrichten Katechismus in der Pfarrei. Wie schaffen Sie es in den Augen der Kinder, entschuldigen Sie bitte den Ausdruck, eine "wahre" Schwester zu bleiben und nicht die Schwester Cristina aus "The Voice"?

Scuccia: Es ist schwierig. Und mich belastet die Tatsache, dass manche mich als "die Berühmte" betrachten. Aber ich weiß, dass dank meiner Präsenz im Fernsehen wichtige Dinge passiert sind, wie zum Beispiel, als ich alle dazu brachte, gemeinsam das Vater Unser zu beten.

Frage: 2015 wird das "Jahr der Orden" in der Kirche. Fühlen Sie sich als ein wichtiges Werkzeug um die Schönheit des geweihten Lebens zu verbreiten oder könnte Ihre Bekanntheit zu einen Hindernis werden?

Scuccia: Ich fühle mich als ein demütiges Werkzeug, das hofft, der Kirche nützlich zu sein in einem Jahr, das so wichtig ist für das geweihte Leben. Mir wurde bereits angeboten, bei einer Veranstaltung im Vatikan mitzuwirken. Wenn sie es als nützlich betrachten, werde ich glücklich sein, meinen Beitrag geben zu können.

Frage: Entschuldigung, dass ich darauf bestehe, aber wer hat Sie dazu gebracht, "Like a Virgin" aufzunehmen? Hat das das Plattenlabel vorgeschrieben?

Scuccia: Nein, ich war frei in der Auswahl. Wie bei allen Kooperationen sind wir uns natürlich entgegengekommen. Aber dieses Stück habe ich gewählt. Und ich bin zufrieden, sowohl damit, wie es klingt als auch mit dem Videoclip, den wir in Venedig gedreht haben (wie es auch Madonna in ihrem "Like a Virgin" tat, Anm. d. Red.). Wir wollten Gelassenheit und Poesie vermitteln. Ich glaube, das ist uns gelungen.

Frage: Ich befürchte aber, dass die ersten Reaktionen auf Ihr "Like a Virgin" nicht alle von Gelassenheit geprägt sein werden. Ich sage Ihnen die Wahrheit: Ich beneide Sie nicht. Und das ist nur…

Scuccia: Ich weiß, was Sie mir sagen möchten: Und das ist nur der Anfang. Ich bin und bleibe gelassen.

Das Interview führte Gigio Rancilio

Übersetzt von Agathe Lukassek