Hongkongs Kardinal Zen weist vor Gericht Anklage zurück
Hongkongs Kardinal Joseph Zen Ze-kiun und fünf weitere Personen haben bei einem ersten Gerichtstermin nach ihrer Festnahme am 11. Mai die Anklage zurückgewiesen. Bei dem Termin am Dienstag waren Diplomaten mehrerer europäischer Länder, darunter aus Deutschland, Italien und Schweden, als Beobachter anwesend, wie Hongkonger Medien berichten. Der Prozess gegen die Angeklagten soll am 19. September beginnen.
Der ehemalige Bischof von Hongkong war vor knapp zwei Wochen mit fünf weiteren Personen wegen ihrer Rolle als Treuhänder des 612 Humanitarian Relief Fund von der Sicherheitspolizei verhaftet und noch am selben Tag gegen Kaution wieder freigelassen worden. Der inzwischen auf Druck Pekings aufgelöste Fonds sollte Demonstranten unterstützen, die an den gegen Peking gerichteten prodemokratischen Protesten 2019 beteiligt waren. Den fünf Treuhändern wurde "geheime Zusammenarbeit mit ausländischen Mächten" vorgeworfen, was nach dem von China erlassenen nationalen Sicherheitsgesetz strafbar ist. Die jetzt laut Medienberichten vor dem Gericht erhobene Anklage der fehlenden Registrierung des Fonds ist jedoch kein Vergehen im Sinne des Sicherheitsgesetzes.
Zens Festnahme rief bei westlichen Ländern und internationalen Menschenrechtsorganisationen Entrüstung hervor. Hongkongs Sicherheitsminister Chris Tang wies dies am Montag als "klassische Hetzkampagne" zurück. Der Vatikan erklärte nach der Verhaftung, man habe die Nachricht "mit Besorgnis zur Kenntnis genommen und verfolgt die Entwicklung der Situation sehr genau". Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Limburgs Bischof Georg Bätzing, schrieb auf Twitter, der Vorgang erfülle ihn mit "großer Sorge".
Scharfe Kritik von Kardinal Bo
Scharfe Kritik äußerte auch der Vorsitzende der Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen, Kardinal Charles Bo. "Hongkong war eine der freiesten und offensten Städte Asiens. Heute ist es in einen Polizeistaat verwandelt worden", erklärte der Erzbischof von Yangon am 14. Mai. "Ich weiß von den jüngsten Propagandaangriffen gegen die Kirche in Peking-freundlichen Medien in Hongkong und von der zunehmenden Selbstzensur unter religiösen Führern aufgrund der Umstände." In jedem rechtsstaatlichen System sei es ein gutes und anerkanntes Recht, Menschen vor Gericht bei der Bezahlung ihrer Anwaltskosten zu unterstützen, sagte er zu den Vorwürfen gegen Zen. "Wie kann es ein Verbrechen sein, Angeklagten zu helfen, sich vor Gericht zu verteidigen und vertreten zu lassen?"
Die Festnahme Zens erfolgte drei Tage nach der Ernennung von John Lee zum neuen Regierungschef der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong. Der bisherige Sicherheitsminister setzte als Statthalter Pekings das Gesetz über die nationale Sicherheit von Juni 2020 um. Er tritt sein neues Amt am 1. Juli an. Kardinal Zen ist seit langem ein Kritiker Pekings, Unterstützer der Demokratiebewegung in Hongkong und Gegner des Geheimabkommens zwischen dem Vatikan und China über die Ernennung von Bischöfen. (tmg/KNA)