Pfingsten? Jetzt erst recht!
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Impuls von Schwester Christine Klimann
Einen Turm bis zum Himmel bauen – das war, so lesen wir in den mythischen Anfängen der Menschengeschichte – der Traum der Menschen. Einen Turm zum Himmel, alle gemeinsam, dorthin wo Gott sitzt, und dann wäre uns nichts mehr unmöglich. Das Buch Genesis erzählt allerdings auch, wie die Geschichte weiterging: Gott stellt sich dem Größenwahn der Menschen entgegen und zerstreut sie: in viele verschiedene Sprachen, in alle erdenklichen Winkel der Erde. Diese kraftvolle Erzählung bietet eine Deutung für die Probleme unserer heutigen Welt voll Verwirrung, Kommunikationsschwierigkeiten, Misstrauen, und einer gehörige Portion Größenwahn, den die Zerstreuung ganz eindeutig nicht getilgt hat.
Das Pfingstereignis dazu das Gegenstück: Es ist eine Hoffnungserzählung von einer Verständigung, die alle Hindernisse und Missverständnisse überwindet. Ein jeder versteht die Apostel in seiner Sprache. Alle sind willkommen, Teil des neuen Volkes Gottes zu werden und am Aufbau des Reiches Gottes, eines Reiches des Friedens und der Gerechtigkeit, mitzubauen.
Heute, im Jahr 2022, sind wir wohl weiter von dieser Verständigungsvision entfernt als jemals zuvor. Das Babel der Verwirrung, des Misstrauens und des Größenwahns ist viel mehr Realität als das Jerusalem des verbindenden Geisteshauches. Mich persönlich enttäuscht das zutiefst. Ich bin aufgewachsen mit der Vorstellung, dass ein christlich geprägtes Europa die Welt friedlicher und gerechter macht, dass die Völker und die Religionen mehr verbindet als sie trennt, dass Verständigung möglich ist und dass wir – langsam aber doch – lernen, einander und unsere Erde mehr zu respektieren. Später habe ich gelernt, wie schwierig aber auch wie dringend notwendig das ist: denn unsere Existenz steht auf dem Spiel. Und heute? Heute frage ich mich, wo unsere Reise hingehen wird. Und ich denke mehr denn je, dass wir Pfingsten brauchen. Denn mit unserem Latein sind wir sind wir ziemlich am Ende.
Pfingsten heißt, dass der Geist Gottes kommt. Im Evangelium lesen wir, dass er dort kommt, wo die Jünger mit ihrem Latein am Ende waren. Enttäuscht, entmutigt, verängstigt, eingeschlossen, fertig mit der Welt. Menschlich ging da nicht mehr viel. Aber der Geist Gottes kommt: Die Kraft des Auferstandenen, der Türen öffnen kann, die fest verriegelt sind. Der Frieden desjenigen, der das Dunkel und den Tod besiegt hat. Die Zuversicht des Ewig-Hoffnungsvollen, der Petrus und Judas zu seinen Aposteln erwählt hat und auf die Mitarbeit eines jeden von uns zählt. Die Lebenskraft Gottes, die allein allem Leben einhaucht. Die Füller aller Geistesgaben, derer wir so dringend bedürfen. Heiliger Geist, der die Welt verwandeln und neu schaffen kann.
Komm, heiliger Geist. Hilf uns, dass wir nicht Türme des Größenwahns bauen, sondern auf deine verbindende Kraft vertrauen.
Komm, wir brauchen dich!
Aus dem Evangelium nach Johannes (Joh 20,19–23)
Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.