Bischof Kohlgraf: Auch Nächstenliebe ist Form des Gebets
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sieht in der Nächstenliebe eine Form des Gebets. "Sich für andere einsetzen ist auch eine Form des Betens", sagte Kohlgraf in der aktuellen Folge seines Podcasts "Lebensfragen" (Mittwoch). Durch die richtige Haltung könne man das gesamte Leben zum Gebet machen. Ein gutes Gebet müsse dabei nicht aus vielen Worten bestehen, sondern könne auch ein Stoßgebet sein, wenn es wirklich von Herzen komme und ernst gemeint sei.
Ihm selbst gehe manchmal auch ein Stoßgebet durch den Kopf, wenn er von Mitmenschen gestresst oder genervt sei, gab Kohlgraf zu. "Dann verzweifele ich so ein bisschen am Gegenüber, aber das ist dann keine Missachtung des Gegenübers, sondern so ein bisschen vielleicht auch das Bemühen, den anderen besser zu verstehen."
Entscheidende Jahre im Schuldienst
Sein eigener Glaube sei durch das Theologiestudium stark verändert worden, weil dort viele Gewissheiten des Kinderglaubens infragestellt worden seien und er gelernt habe, wie unterschiedlich Glaubenserfahrungen sein können und, dass Glaubensgewissheit nicht nur im Fürwahrhalten von Glaubenssätzen bestehe, sondern im tiefen Vertrauen, getragen zu sein. Ganz entscheidend seien auch die zehn Jahre im Schuldienst gewesen und die Begegnung mit jungen Menschen, die seinen Glauben verändert hätten, so Kohlgraf, der vor seiner Bischofsweihe unter anderem als Schulseelsorger und Religionslehrer tätig war.
Im Podcast sprachen Kohlgraf und die Journalistin Anja Schneider mit der evangelischen Theologin und ehemaligen Ratspräsidentin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann. Auch sie sieht in der diakonischen und karitativen Nächstenliebe eine "hohe Glaubwürdigkeit" der Kirche, diese spiegele sich aber bisweilen wenig in den Gemeinden wider. Käßmann betonte, dass auch der betende Mensch durch das Gebet verändert werde, indem er seine eigenen Anliegen reflektiere. "Dass eine durchbetete Welt eine andere ist als eine Welt ohne Gebet, das glaube ich schon", so die Theologin.
Angesprochen auf ihren Rücktritt im Jahr 2010 nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss sagte sie, dass sie den Anlass für ihren Rücktritt bis heute bedauere. Für sie persönlich sei es jedoch der richtige Schritt gewesen, da sie den Eindruck gehabt habe, dass sie ihre eigene Glaubwürdigkeit infrage gestellt habe. (cbr)