Overbeck zu Missbrauchstudien-Fall: Würde heute anders handeln
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat Fehlverhalten im Umgang mit einem des Missbrauchs beschuldigten Priester eingeräumt. "Zu dieser damals getroffenen Entscheidung stehe ich und übernehme dafür auch die Verantwortung", reagierte der Ruhrbischof am Freitag auf einen Vorwurf in der Missbrauchsstudie für das Bistum Münster. "Heute würde ich zweifellos anders handeln – auch deshalb, weil die Entscheidung über einen beschuldigten Kleriker nicht allein durch Kleriker gefällt werden darf."
Der Vorwurf der am Montag präsentierten Studie zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster seit 1945 bezieht sich auf einen Vorgang aus dem Jahr 2009. Overbeck, der früher Weihbischof und damals Übergangsleiter der Diözese war, hatte entschieden, den Fall eines beschuldigten Priesters aus dem Jahr 1997 nicht allen Mitgliedern der Missbrauchskommission, in diesem Fall zwei Frauen, vorzulegen. Die Entscheidung habe unter einem "klaren klerikalen Vorbehalt" gelegen, heißt es in der Studie.
Keinen weiteren Handlungsbedarf gesehen
Der Fall werde in der wissenschaftlichen Untersuchung korrekt wiedergegeben, so Overbeck. Zum damaligen Zeitpunkt habe er in Übereinstimmung mit dem damaligen Vorsitzenden der Missbrauchskommission, Hans Döink, keinen weiteren Handlungsbedarf gesehen. Die Studienautoren führen aus, dass dies den damaligen Verjährungsfristen entsprochen habe, das Vorgehen dennoch "zweifelhaft" sei.
Die am Montag vorgestellte Studie eines Forschungsteams aus Historikern der Universität Münster belastet alle Münsteraner Diözesanbischöfe seit 1945. Erst in der Amtszeit von Bischof Felix Genn (ab 2009) sei es zu einem Umdenken gekommen. Die Untersuchung ist eine Hellfeldstudie und basiert auf Aktenbeständen des Bischöflichen Archivs und der bischöflichen Verwaltung sowie Interviews mit über 60 Betroffenen. Insgesamt wurden 196 Geistliche beschuldigt, davon 183 Priester, ein Diakon und zwölf Ordensbrüder. Bei 40 Prozent der Beschuldigten gibt es Hinweise auf Missbrauch von mehr als einer Person, 90 Prozent der Fälle hatten keine strafrechtlichen Konsequenzen. Die Studie konnte 610 Betroffene ermitteln. Die Forscher vermuten aber ein Dunkelfeld, das acht- bis zehnmal höher liegt.
Am Freitag äußerte sich Bischof Genn ausführlich zu Konsequenzen aus der Studie. Dabei räumte er persönliche Fehler im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs ein. Einen Rücktritt lehnte er aber ab, obwohl er nach eigener Aussage in einigen Situationen anders hätte handeln müssen. Er wolle die ihm verbleibende Amtszeit als Bischof von Münster "mit höchstem Engagement nutzen, weiterhin und verstärkt auf das zu hören, was Betroffene und unabhängige Gremien mir für den Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Münster empfehlen und versuchen, das umzusetzen". (mal/KNA)