Gleichstellungsbeauftragte: Brauchen mehr Frauen in Bistumsführung
"Die Zielsetzung der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2018, bis 2023 einen Frauenanteil von mindestens einem Drittel in den obersten Leitungsebenen der Bistümer zu erreichen, ist noch lange nicht erreicht." Das ist das Fazit einer Tagung der sieben Gleichstellungsbeauftragten aus deutschen Bistümern. Im katholisch.de-Interview erklärt Michaela Lampert, Gleichstellungsbeauftragte für das Erzbistum Freiburg, warum eine Frauenquote wichtig ist.
Frage: Frau Lampert, ein Frauenanteil von einem Drittel in der oberen Führungsebene war bis kommendes Jahr geplant. Das schaffen die Bistümer offenbar nicht. Wie weit sind sie davon noch entfernt?
Lampert: Genaue Zahlen haben wir dazu noch nicht. Diese werden im kommenden Jahr deutschlandweit erhoben. Was ich aber aus den sieben Bistümern zurückmelden kann, deren Gleichstellungsbeauftragte bei der Tagung anwesend waren: Die Zahl der Frauen in der oberen Führungsebene ist im Vergleich zum Jahr 2018 tendenziell zurückgegangen.
Frage: Woran liegt das?
Lampert: Das hat einen einfachen Hintergrund: Angenommen in einem Bistum gibt es sieben Hauptabteilungen, drei davon wurden im Jahr 2018 von einer Frau geleitet. Eine Hauptabteilungsleiterin verändert sich beruflich und die Stelle wird mit einem Mann nachbesetzt. Prozentual gesehen entsteht dadurch ein deutlicher Verlust im Blick auf den Frauenanteil, obwohl "nur" ein Personalwechsel stattgefunden hat.
Frage: Wie sieht es mit den anderen Bistümern aus, die keine Gleichstellungsbeauftragte haben? Wie ist da die Frauenquote?
Lampert: Im Frühjahr fand die Tagung "Führen in Vielfalt" statt, welche die Gleichstellungsbeauftragten gemeinsam mit dem Hildegardis-Verein und der Frauenseelsorge veranstaltet haben. Aus 22 Bistümern nahmen 80 Fachpersonen aus der Personal- und Organisationsentwicklung teil. Im Austausch mit den Teilnehmenden wurde deutlich, dass Frauen in kirchlichen Leitungspositionen nach wie vor nicht selbstverständlich sind. Das große Interesse an Impulsen zu Vielfalt von Lebens- und Arbeitsmodellen, die Auseinandersetzung mit "unconsious bias" (unbewussten Vorurteilen) sowie der intensive Austausch bei den Workshops lassen vermuten, dass in den meisten Bistümern "ein Drittel und mehr" noch nicht erreicht ist.
Frage: Können Sie für das Erzbistum Freiburg Zahlen nennen? Wie sieht es mit der Frauenquote bei Ihnen aus?
Lampert: Im Blick auf die höchste Führungsebene ist die Zielgröße "ein Drittel" noch nicht erreicht. In der Ebene darunter ist die Zielgröße seit einigen Jahren bereits erfüllt.
Frage: Die erwähnte DBK-Vorgabe ist rund vier Jahre alt und die Umsetzung liegt – im Gegensatz zu anderen Bereichen – in der Hand der Bistumsleitungen. Warum tun sich die Bistümer trotzdem so schwer, Frauen in der oberen Führungsebene einzusetzen?
Lampert: Ein Baustein ist – das ist je nach Bistum unterschiedlich: Welche Leitungsstelle sind Klerikern vorenthalten? Gibt es Positionen, die von Nicht-Klerikern zukünftig ausgeübt werden können? In einigen Bistümern wurde die Funktion einer Amtschefin beziehungsweise eines Amtschefs eingeführt und auf diesem Weg neue Führungsstellen implementiert, die offen sind für Laiinnen und Laien. Ein anderes Argument ist oft, dass sich keine Frauen auf hohe Leitungsstellen bewerben. Das stimmt. Es gibt immer wieder Ausschreibungen, auf die sich keine Frauen bewerben. Da sehe ich auch eine Anfrage an die Bischöfe: Warum ist das so? Zu betonen, dass der Anteil an Frauen in Führungspositionen erhöht werden soll, ist wichtig. Das allein ist aber nicht ausreichend. Wir benötigen eine offene Unternehmenskultur sowie flexiblere Strukturen. Jobsharing und geteilte Leitung sind Bespiele für attraktive Arbeitsmodelle. Beim Recruiting ist zu prüfen, ob sich Frauen durch die Ausschreibung angesprochen fühlen und nicht zuletzt: Frauen gezielt ansprechen und fördern.
Frage: Angenommen, die Zielvorgabe wird tatsächlich nicht erreicht: Welche Konsequenzen müssten daraus Ihrer Meinung nach gezogen werden?
Lampert: Bei der Tagung im Frühjahr hat Frau Maier-Gräwe, Sachverständige für einen Familienbericht und zwei Gleichstellungsberichte der Bundesregierung, ausgeführt, dass die "gläserne Decke" als Folge des Prinzips, sich bevorzugt mit Seinesgleichen zu umgeben, nur mit einer Frauenquote zu durchbrechen sei. Diese Ansicht teile ich. Im Blick auf all die Studienergebnisse zum Thema Frauenförderung, ist die Festlegung einer Quote verbunden mit definierten Schritten zur Zielerreichung das erfolgversprechendste Instrument.
„Wenn wir Christsein so verstehen, dass alle Menschen gleich sind und die gleiche Würde tragen, ist es umso wichtiger, dass diese Würde auch in Leitungspositionen mit unterschiedlichen Geschlechtern zum Ausdruck kommt.“
Frage: Und wenn die Zielvorgabe erreicht wird und im kommenden Jahr alle oberen Führungspositionen in den Bistümern zu einem Drittel mit Frauen besetzt sind … Können sich dann die Verantwortlichen zurücklehnen und sagen: Jetzt sind Frauen gleichberechtigt?
Lampert: Feiern und die Zielerreichung würdigen: Ja! Zurücklehnen: Nein! Wir wissen um den großen Fachkräftemangel, der überall herrscht. Wenn ich also weiterhin Führungskräfte – und vor allem weibliche Führungskräfte – gewinnen will, dann muss ich mich auch als attraktiver Arbeitgeber aufstellen und zukunftsfähige Leitungsmodelle anbieten, beispielsweise im Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Frage: Warum ist es denn überhaupt so wichtig, dass der Frauenanteil in Führungspositionen in den Bistümern erhöht wird?
Lampert: Frauen gestalten das religiöses Leben in den Familien und vor Ort. Sie spielen in den Gemeinden eine ungemein wichtige Rolle. Und wir wissen, dass gemischte Teams nachhaltig betrachtet diejenigen sind, die bessere Entscheidungen treffen. Wenn wir Christsein so verstehen, dass alle Menschen gleich sind und die gleiche Würde tragen, ist es umso wichtiger, dass diese Würde auch in Leitungspositionen mit unterschiedlichen Geschlechtern zum Ausdruck kommt.
Frage: Wenn man jetzt auf alle Bistümer in Deutschland schaut, gibt es bislang sieben Gleichstellungsbeauftrage – und damit auch sieben Bistümer, die sich so eine Stelle leisten. Ist das schon der erste Schritt, der in vielen Diözesen verpasst wird, dass dort niemand beauftragt wird, sich um diesen Bereich zu kümmern?
Lampert: Ich würde es jedem Bistum empfehlen, sich die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten zu leisten und eine Gleichstellungsordnung zu implementieren. Eine Kollegin hat einmal gesagt: "Wir sind da, um zu stören." Ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass es jemanden gibt, der den Finger in die Wunde legt und auf Dinge aufmerksam macht. Einige Bistümer haben den Bereich Chancengleichheit im Bereich Personalentwicklung integriert. Das ist gut so. Die Funktion einer Gleichstellungsbeauftragten bietet aber an vielen Stellen mehr Einblick in Prozessabläufe sowie Einflussmöglichkeiten. Ich bin direkt dem Generalvikar unterstellt und in der Ausübung meines Amtes von fachlichen Weisungen frei. Dadurch habe ich eine besondere Stellung im Haus, die sehr wertvoll für diese Arbeit ist.