Der Theologe Michael Schmaus: Ein Gelehrter mit vielen Seiten
Er gehört zu den bedeutendsten deutschen Theologen des 20. Jahrhunderts. Der aus dem bayrischen Dorf Oberbaar stammende Bauernsohn Michael Raphael Schmaus wurde am 17. Juli 1897, vor 125 Jahren, geboren. 1922 wurde er zum Priester geweiht, ihm stand eine steile akademische Karriere bevor. 1924 promovierte er bei dem Dogmenhistoriker Martin Grabmann, seine Habilitationsarbeit schrieb er über Thomas von Aquin und Duns Scotus. 1929 wurde er zum Professor an die Deutsche Universität Prag berufen. Weitere Stationen führten ihn ab 1933 nach Münster und 1946 zurück in die bayrische Heimat - nach München, wo er bis zu seiner Emeritierung 1965 wirken sollte.
Durch den Neuentwurf seiner großen achtbändigen "Katholischen Dogmatik" als "Verkündigungsdogmatik" vollzog Schmaus eine Abkehr von der neuscholastischen Konzeption. Er entwickelte den dogmenhistorischen Ansatz seines Lehrers Grabmann weiter und führte das geschichtliche Denken auch in die dogmatische Theologie ein.
Damit hat er seinem Fach neue Wege gewiesen und vor allem dessen Öffnung auf die Ökumene hin vorbereitet. Grundlegend für ihn war das Verstehen der Kirche als geistlicher Wirklichkeit und die Wertschätzung der Laien als Glieder dieses Volkes Gottes. Es sind Themen des späteren Konzils, denen sich Schmaus verpflichtet wusste. Er hatte sie in seiner Dogmatik vorbereitet und brachte sie als Konsultor und Peritus im Gefolge des Münchner Kardinals Julius Döpfner dort ein.
Bereits zuvor kreuzten sich am dogmatischen Seminar der Münchner Universität seine Wege mit denen eines anderen deutschen Theologen: Joseph Ratzinger Doch dessen Habilitationsschrift sollte fast am Urteil des ansonsten aufgeschlossenen und dem Zeitgeist offenen Dogmatikprofessors scheitern. Laut Ratzinger unterstellte ihm Schmaus einen "gefährlichen Modernismus". Bei der entscheidenden Fakultätssitzung soll es "einigermaßen stürmisch zugegangen sein". Die Vorbehalte richteten sich vor allem gegen die beiden ersten Teile der Habilitationsschrift, in denen es um das Offenbarungsverständnis des mittelalterlichen Kirchenlehrers Bonaventura (1217-1274) ging. Ratzinger reichte daraufhin kurzerhand eine um die kritisierten Abschnitte gekürzte Fassung ein. Sie wurde angenommen.
In jüngerer Vergangenheit werden weitere Seiten des arbeitssamen und weltoffenen Geistlichen Michael Schmaus beleuchtet. Nach seiner Rückkehr aus Prag fand er sich in einem Deutschland wieder, in dem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren. Und es gab einige Theologen, die eine "Versöhnung" zwischen der politischen Ideologie und ihrer dem "Fortschritt" verschriebenen Theologie ansteuerten. Tenor einer Rede des Theologen Schmaus 1933 war denn auch: "Die Tafeln des nationalsozialistischen Sollens und die der katholischen Imperative weisen in dieselbe Wegrichtung".
Wunsch nach Kirchenreform
Grund für die Begeisterung dürfte der Wunsch nach einer Kirchenreform gewesen sein. Der Nationalsozialismus beeindruckte manchen anfangs durch seine Dynamik, die mit einer gleichzeitigen Bändigung des Individuellen einherging. Mehr noch als Schmaus hatte sich dem Gedanken der Tübinger Theologe Karl Adam verschrieben. Noch 1940 schrieb Schmaus in einer Korrespondenz an ihn: "Wir Katholiken wissen uns als Glieder dieses Reiches und erblicken unsere höchste irdische Aufgabe in unserem Dienst am Reich."
Daher wurde Schmaus auch kurz nach seinem Wechsel von Münster nach München im November 1946 der Universität verwiesen. Erst ein Jahr später konnte er sich der Kategorisierung als "Mitläufer" entledigen. Der fortan "Nichtbetroffene" wurde damit zu einer wesentlichen Autorität an der Münchner Universität, der er 1951-1952 sogar als Rektor vorstand.