Gregor Mendel: Mönch und Pionier der Genetik
Ihn als großen "Erbsenzähler" zu bezeichnen, klingt reichlich respektlos. Doch mit Hilfe von Erbsenzüchtung und der Anwendung statistischer Methoden hat der Augustinermönch Gregor Mendel im 19. Jahrhundert die Grundlagen der modernen Genetik geschaffen.
Am 20. Juli 1822, vor 200 Jahren, wurde Mendel mit dem Vornamen Johann als Sohn eines Kleinbauern in Schlesien geboren. Das Gehöft wurde 2007 als Begegnungsstätte und Mendel-Museum hergerichtet. Schon früh sammelte er Erfahrungen bei der Pflanzenzucht, da er seinem Vater beim Veredeln der Obstbäume half. Den Namen Gregor bekam er, der später mit Erlaubnis des Ordens auch Physik, Chemie und Mathematik sowie Biologie studierte, erst im Kloster in Brünn.
Zunächst Missachtung
Seine Entdeckungen, die Mendelschen Regeln, lernt heute fast jeder Schüler im Biologie-Unterricht. Doch als Mendel 1866 die Ergebnisse seiner langjährigen Versuche in der kurzen Abhandlung "Versuche über Pflanzen-Hybriden" veröffentlichte, stieß der Mönch bei führenden Wissenschaftlern auf Missachtung.
Erst 16 Jahre nach seinem Tod, am 6. Januar 1884, wurden die von ihm aufgestellten Vererbungsregeln von drei Botanikern unabhängig voneinander wiederentdeckt und bestätigt. Der Augustiner, der 1868 zum Abt seines Klosters gewählt wurde, hatte bis zu seinem Tod an die Bedeutung seiner Erkenntnisse geglaubt.
Mendels Entdeckungen wurden auch durch die Weltoffenheit seines Ordens ermöglicht: Das Augustiner-Kloster in Brünn war damals ein Zentrum geistiger und wissenschaftlicher Aktivitäten und verfügte über eine große Bibliothek. Die Klosterleitung war es auch, die Mendel einen Versuchsgarten zur Verfügung stellte. Dort führte er von 1856 bis 1863 seine Kreuzungsexperimente an Erbsen durch.
Mendel hatte das Glück des Tüchtigen: Mit der Gartenerbse wählte er ein äußerst geeignetes Versuchsobjekt mit schneller Vermehrung. Ihre Merkmale – Blütenfarbe, Samenform oder Samenfarbe – lassen sich leicht beobachten. In dieser Zeit erfasste er mit unglaublicher wissenschaftlicher Ausdauer rund 30.000 Pflanzen in mehreren Generationen.
"Dominanz" und "Rezessivität"
Mendel erbrachte so den Nachweis, dass bestimmte Merkmale von Eltern auf Nachkommen übertragen werden. Erst später wurden diese Merkmale als Gene bezeichnet. Der Mönch leitete aus seiner Arbeit bestimmte Gesetzmäßigkeiten ab: Für jedes Merkmal – wie beispielsweise die Blütenfarbe – gibt es zwei Vererbungseinheiten, von denen die überlegene Einheit die unterdrückte Einheit verdeckt. Er prägte dafür die Begriffe "Dominanz" und "Rezessivität".
Am Beispiel der Kreuzung einer reinerbig violettblühenden mit einer reinerbig weißblühenden Pflanze bedeutete das konkret: Die dominante, violette Farbe verdeckte in der ersten Tochtergeneration die rezessive weiße Blütenfarbe. Die zweite Tochtergeneration jedoch brachte auch wieder Pflanzen mit weißer Blütenfarbe hervor.
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Dass ausgerechnet ein Mönch als Pionier der Genetik gilt, ist für den Münchener Biochemiker und ehemaligen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst Ludwig Winnacker, nichts Ungewöhnliches. Natur- und Geisteswissenschaften seien zu Mendels Zeiten Bestandteil einer einzigen Kultur gewesen, sagte er. Inzwischen sei diese Einheit zerfallen.
Die tschechische Stadt Brünn erinnert in diesem Jahr mit mehreren Aktionen an ihren berühmten Bürger. Ab dem 17. Juli ist ein Mendel-Festival geplant, das Wissenschaft und Unterhaltung präsentiert. Für das geistliche Programm sorgen die Augustiner in ihrer Abtei. Im Abteigarten wird außerdem eine Rekonstruktion von Mendels Gewächshaus errichtet. Und auf dem Mendelplatz sollen die drei Mendelschen Regeln der Vererbung nach dem Entwurf des Brünner Bildhauers Jaromir Gargulak plastische Gestalt annehmen. Sein hauptsächlich aus Bronze angefertigtes Werk heißt "Hrachovina" (Erbsen).
Genetische Untersuchungen am Grab
Im vergangenen Sommer war zudem das Grab des Mönchs auf dem Zentralfriedhof in Brünn für genetische Untersuchungen geöffnet worden. Durch die Sequenzierung der Knochen konnte zunächst eindeutig Mendels Identität festgestellt werden.
Weiter ermittelten Wissenschaftler anhand der im Blechsarg vorgefundenen Kleidungsstücke die biometrischen Daten Mendels. Demnach war der Augustinermönch 167 Zentimeter groß und hatte ein überdurchschnittlich großes Gehirn. Ein besonderes Interesse gilt auch einer möglichen Erbkrankheit Mendels, die er selbst erforscht hat. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen stellen die Wissenschaftler nun auf der "Mendel Genetics Conference" vor, die vom 20. bis 23. Juli stattfinden wird.