Kommentar zur Vatikan-Erklärung

Verlautbarung zum Synodalen Weg: Ein "süßes" Basta aus Rom

Veröffentlicht am 24.07.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Debatte

Bonn ‐ Die Vatikan-Erklärung zum Synodalen Weg hat für sehr unterschiedliche Reaktionen gesorgt. Ihm dränge sich der Eindruck auf, dass Rom sich einen feuchten Kehricht um den Anlass des Synodalen Wegs schert, schreibt Johannes Norpoth in seinem Gastbeitrag.

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Da liegt er vor mir: Der Aufreger aus Rom. Kaum eine vatikanische Mitteilung ist in so kurzer Zeit mit so vielen Attributen versehen worden: Ominös, irritierend, verstörend, aber auch ermutigend, segensreich, richtungsweisend. Die Anzahl ist nahezu unendlich, die Ausprägung wird bestimmt durch die kirchenpolitische Sichtweise. Und auch die Schar derjenigen, die meinen, nach langer Abwesenheit, insbesondere beim Synodalen Weg, im Kielwasser der Veröffentlichung plötzlich der Öffentlichkeit ihre Meinung präsentieren zu müssen, ist durchaus interessant bis amüsant.

Aber was findet man denn substantiell in diesem Text?  Eigentlich – nichts! Weder Positionen, die zu übermäßiger Überraschung führen könnten oder sollten. Weder wirklich nachvollziehbare und dem aktuellen Stand der Debatte entsprechende inhaltliche Aussagen. Noch überraschen Form und Stil dieser Verlautbarung aus dem Pressesaal des Apostolischen Palastes. Im Kontext der Grunddokumente des Synodalen Wegs gibt ja der römische Text genau die qua Satzung festgelegte Intention des Synodalen Wegs wieder: Initiative und Ausgangspunkt einer auch weltkirchlich zu führenden Debatte über die Gestalt und Zukunft unserer Kirche zu sein – im Schatten von sexualisierter und geistlicher Gewalt, von Vertuschung, Strafvereitelung im Amt und fortgesetzter Lüge. Was der Synodale Weg nicht will und ist: Entscheider über diesen notwendigen Weg zu sein. All das kann man ausführlich nachlesen – wenn man denn will!

Für mich drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass Rom sich einen feuchten Kehricht um den Anlass schert, der dem Synodalen Weg zu Grunde liegt: Der Versuch und das gemeinsame Bemühen von Klerikern und Laien die systemischen Ursachen von sexualisierter und geistlicher Gewalt in unserer Kirche anzugehen. Erst vor wenigen Wochen hat das Forscherteam um den Historiker Prof. Großbölting in der methodisch sehr gut angelegten Studie zum Missbrauch im Bistum Münster schonungslos die Zusammenhänge von Missbrauchstaten, aktiver Strafvereitelung von Bischöfen und weiteren Verantwortungsträgern, sowie dem Schweigen und Wegsehen des katholischen Milieus beschrieben. Und er hat mit Nachdruck offengelegt, wie notwendig die Ursachenbekämpfung in dieser, in unserer Kirche ist. Die oberste Führungsinstanz in der Weltkirche offenbart aktuell nur allzu deutlich, dass Opfer/Betroffene/Überlebende des Missbrauchs zwar bedauerliche Schicksale zu tragen haben, aber ansonsten macht man unbeirrt, quasi entkoppelt von der sich immer weiter entwickelnden Welt und damit von den sich immer weiter entfernenden eigenen Gläubigen so weiter wie bisher. Ein solches Verhalten wirkt schlicht zerstörerisch!

Der übliche Kommunikationsstil

Wie üblich ist ja auch der römische Kommunikationsstil. Natürlich kann auch ich Mutmaßungen anstellen, wer denn der Autor des Textes ist, aber das ist auch egal. Wovon jedoch sicher ausgegangen werden kann ist die Tatsache, dass der Text mit hoher Autorität ausgestattet sein dürfte. Oder glaubt tatsächlich jemand, im absolutistischen Machtsystem Vatikan könnten sich subalterne Seilschaften einfach des päpstlichen Pressesaals bedienen, um der Weltöffentlichkeit die eigenen Partikularmeinungen zu präsentieren?

Portraitfoto von Johannes Norpoth
Bild: ©privat

Johannes Norpoth ist Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz.

Der Text ist schlicht der Versuch, mit einem autoritären "Basta" Diskussionen zu kanalisieren, um das Heft des Handelns vermeintlich in die Hand zu bekommen. Das erzeugt im Jahr 2022 fast schon Mitleid, mindestens aber führt das bei mir zum Ausdruck von: "Nein, das ist aber süß!"

Es braucht an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt zu werden, dass dieser "süße" Basta-Versuch nicht nur schnell verpuffen, sondern kontraproduktiv wirken wird, denn solche Aktionen führen nur zu längeren Wartelisten zum Kirchenaustritt! Ganz sicher aber nicht zur Auseinandersetzung mit traditionellen kirchenpolitischen Positionen.

Freude auf nächste Synodalversammlung

Und eine kleine, aber medial wie römisch gut vernetzte Truppe aus klerikalen Karrieristen, gehorsamen Laien und Lordsiegelbewahrern springt dem unverzüglich bei. Und auch das ist sehr interessant: Sie bestätigen und unterstützen mit allerlei wortreichen Erklärungen die Richtigkeit der römischen Verlautbarung. Und da steht was drin? Habe ich doch schon gesagt: eigentlich nichts!

In diesem Sinne freue ich mich auf die kommende Synodalversammlung. Mir scheint, dass die Diskussionen dort noch deutlicher, noch ehrlicher und schonungsloser geführt werden müssen. Denn ansonsten wird dem "Basta" aus Rom zwangsläufig nur noch eins folgen: Licht aus!

Von Johannes Norpoth