Experten: Schmähplastik von Wittenberger Stadtkirche abnehmen
Ein vom Gemeindekirchenrat einberufenes Expertengremium hat sich gegen den Verbleib der antijüdischen Skulptur an der evangelischen Wittenberger Stadtkirche ausgesprochen. Wie das Gremium am Dienstag bekannt gab, empfiehlt es dem Gemeindekirchenrat, die als "Judensau" bekannte Skulptur abnehmen zu lassen. Sie solle nicht in einem Museum, sondern "in enger räumlicher Nähe zur Kirche" präsentiert werden, zudem solle ein pädagogisches Konzept die Geschichte christlicher Judenfeindschaft herausstellen.
"Die Tradition des Gedenkens vor Ort soll bestehen bleiben", sagte Christoph Maier, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt und Mitglied des Gremiums. Es sei eine "Zumutung", die Plastik in der bestehenden Form in der Öffentlichkeit zu halten. Das Relief dürfe aber nicht versteckt werden, sondern müsse zugänglich bleiben. "Es ist wichtig, dass es vor Ort eine lebendige Gedenkkultur gibt", betonte Maier.
Das Gremium riet überdies dazu, schon vor einer Abnahme der Skulptur eine Faltbroschüre dazu zu erarbeiten und einen neuen Erklärtext für die bereits bei der Kirche stehende Informationsstele anzubringen. Überdies müsse die Dauerausstellung in der Stadtkirche neu konzipiert werden und auch über Antijudaismus und Antisemitismus informieren.
Gemeindekirchenrat berät Ende August über Empfehlung
Nach Angaben des Gremiums verhandelt der Gemeindekirchenrat Ende August über die Empfehlungen. Entscheidend für weitere Schritte sei auch das Einverständnis des Denkmalschutzes sowie der Unesco, da die Wittenberger Reformationsstätten zum Weltkulturerbe gehören. Die Skulptur ist in etwa vier Metern Höhe an der Außenwand der Kirche angebracht. Dargestellt ist eine als Rabbiner karikierte Figur, die den Schwanz eines Schweins anhebt und das im Judentum als unrein geltende Tier von hinten betrachtet. Zwei weitere als Juden gezeigte Figuren saugen an den Zitzen. Eine vierte Figur hält Ferkel von der Muttersau fern.
Gegen den Verbleib der Skulptur am bisherigen Ort hatte ein Mitglied der jüdischen Gemeinschaft geklagt. Nach mehreren Vorinstanzen entschied der Bundesgerichtshof (BGH) Mitte Juni, dass die Schmähplastik nicht entfernt werden muss. Durch eine Bodenplatte und einen Schrägaufsteller unterhalb des Reliefs sei das Schandmal in ein Mahnmal umgewandelt. Dennoch erklärte der Gemeindekirchenrat anschließend, die Wortmeldungen zu dem Fall zeigten, "dass eine deutlichere Distanzierung der Kirchengemeinde vom Antisemitismus der Plastik nötig ist".
Dem vom Gemeindekirchenrat 2020 ins Leben gerufenen Beirat gehörten neun Vertreterinnen und Vertreter der evangelischen Kirche, des Judentums und des Landes Sachsen-Anhalt an. Unter ihnen waren neben Maier etwa der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Johann Hinrich Claussen, und der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Andreas Nachama. In Europa gibt es geschätzte 50 weitere ähnliche Darstellungen an Kirchen. (rom/KNA/epd)