Versöhner zwischen den Nationen: Oppelner Alterzbischof Nossol wird 90
2022 ist für den emeritierten Erzbischof von Opole (Oppeln), Alfons Nossol, ein besonderes Jahr. Am 8. August vollendet er sein 90. Lebensjahr; und auch der 65. Jahrestag seiner Priesterweihe und der 45. Jahrestag seiner Bischofsweihe stehen an. Sein Bistum Opole feiert goldenes Gründungsjubiläum.
Seit nunmehr 13 Jahren ist Erzbischof Nossol im Ruhestand. Doch sein 2009 von Papst Benedikt XVI. angenommener Rücktritt – mit 32 Amtsjahren war er damals der dienstälteste Diözesanbischof Polens – war für den damals 77-Jährigen kein Anlass, die Hände in den Schoß zu legen. Sich zurückzulehnen und den Dingen ihren Lauf zu lassen – das war nie Sache des engagierten Erzbischofs, der zu den Protagonisten der deutsch-polnischen Aussöhnung gehört.
Bereits mit Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren hatte Nossol dem Papst gemäß dem Kirchenrecht seinen Amtsverzicht angeboten. Doch Benedikt XVI. bat ihn, noch zwei weitere Jahre zu bleiben. Das tat er – wenn auch, wie er selbst sagte, "nicht allzu freudvoll". Zu viele andere Pläne hatte er in der Hinterhand; "etliche Bücher" wollte er noch schreiben.
Nossol führte deutschsprachige Feiern in seiner Diözese ein
Über Jahrzehnte wirkte der gebürtige Oberschlesier als Brückenbauer zwischen Polen und Deutschland sowie als Mittler zwischen den Konfessionen. Nicht erst mit seiner Bischofsernennung im schlesischen Oppeln 1977 trat Nossol vehement für Versöhnung ein. 1980 ermöglichte er dem damaligen Augsburger Bischof Josef Stimpfle die erste deutsche Predigt seit dem Zweiten Weltkrieg auf dem oberschlesischen Annaberg. Im Juni 1989 zelebrierte er dort – trotz polnischer Vorbehalte – selbst einen deutschsprachigen Gottesdienst und führte deutschsprachige Feiern in der Diözese ein.
Im November 1989 nahmen auf Initiative Nossols der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Polens damaliger Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki an einem von Nossol gefeierten Versöhnungsgottesdienst in Kreisau teil. Dort hatte sich einst der zivile Widerstand gegen Adolf Hitler um den Grafen Helmuth James Graf von Moltke mehrfach getroffen.
Ein Beispiel für alle Nationen
"Wir gewähren Vergebung und bitten um Verzeihung", schrieben die polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder vor 50 Jahren. Der Briefwechsel ging in die Kirchengeschichte ein als eine Sternstunde der Brüderlichkeit und Versöhnung.
Nossol, am 8. August 1932 in Brodschütz (heute Brozec) geboren und 1957 zum Priester geweiht, war in der Polnischen Bischofskonferenz Vorsitzender der Ökumenekommission. Im Vatikan gehört er dem für Ökumene-Fragen zuständigen Einheitsrat an. 1999 verlieh ihm Papst Johannes Paul II. (1978-2005) für seine Verdienste den persönlichen Titel eines Erzbischofs.
Für sein Wirken erhielt Nossol zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1997 den Augsburger Friedenspreis, 2005 den Deutsch-Polnischen Preis, 2010 den Klaus-Hemmerle-Preis und 2013 den "Goldene Brücke"-Preis für deutsch-polnische Zusammenarbeit sowie die zweithöchste polnische Auszeichnung, den "Orden der Wiedergeburt Polens". 2009 ehrte Bundespräsident Horst Köhler ihn für seine Verdienste um die Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern. Neben der deutsch-polnischen Aussöhnung habe sich Nossol auch um den Dialog zwischen den Konfessionen und die Zukunft Europas verdient gemacht, so Köhler.
Ein Freund klarer Worte
2017 erhielt Nossol den Internationalen Brückepreis der Europastadt Görlitz/Zgorzelec. Der Erzbischof habe sich "mit Nachdruck und persönlichem Einsatz für einen Brückenschlag zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Nationalität und verschiedenen Glaubens eingesetzt", hieß es zur Begründung.
Geschätzt wird Nossol auch als Freund klarer Worte. So beklagte er 2013 in einem Interview die Verflechtung von Kirche und Staat in Polen. "Ich hasse es, ganz radikal gesagt, Politik mit Theologie, mit Kirchlichkeit zu verbinden."
Was Nossol, der Mann für Frieden und Versöhnung, zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und zur Rechtfertigung des Krieges durch den russischen Patriarchen Kyrill I. sagen würde, scheint auf der Hand zu liegen – auch wenn er für ein Gespräch nicht zur Verfügung stand. Zum Feiern wird ihm womöglich gar nicht zumute sein.