Vielfalt im Taufregister – das Gesetz folgt dem Leben
Die Taufurkunde und das Taufregister dokumentieren, dass ein Mensch zur Kirche gehört. Was und wie in diese Dokumente eingetragen wird, regeln kirchliche Gesetze seit langem – aber nicht, wie bei der Taufe von Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern, Kindern mit diversem Geschlechtseintrag oder bei transidenten Menschen, die ihren Personenstand ändern, vorgegangen wird. Das Erzbistum Freiburg hat dafür nun klare Regeln erlassen: Ein Allgemeines Ausführungsdekret zum Taufbucheintrag in "speziellen Fällen" stellt Regeln auf, um die Vielfalt der existierenden Familien- und Geschlechterkonstellationen auch in den Kirchenbüchern abzubilden. Im Interview erläutert der Freiburger Offizial Thorsten Weil, warum die Kirche in ihrem Recht regelt, was in ihrer Moraltheologie eigentlich nicht vorgesehen ist.
Frage: Herr Offizial, im Erzbistum Freiburg gibt es nun Regeln für "spezielle Fälle" von Taufbucheinträgen: von Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern, von Menschen diversen Geschlechts und von Menschen, deren Geschlecht personenstandsrechtlich geändert wurde. Wie häufig kommen diese Einträge in der Praxis vor?
Weil: Sehr selten. Im laufenden Jahr hatten wir bisher eine Anfrage, in den beiden von Corona geprägten Jahren gar keine. In den Jahren davor bewegte es sich gefühlt zwischen null und zwei Einträgen – bei derzeit 1,7 Millionen Katholiken. Das ist selbst dann sehr wenig, wenn man berücksichtigt, dass zu uns nur die Fälle gelangen, in denen die Pfarrsekretärinnen nicht weiterkommen, weil es eine echte oder vermeintliche Regelungslücke gibt.
Frage: Wie wurde vor dem Allgemeinen Ausführungsdekret in solchen Fällen verfahren? Gab es Probleme mit der Eintragung solcher Fälle?
Weil: Aus den allgemeinen Regelungen für den Taufeintrag von Kindern von alleinerziehenden Elternteilen, unverheirateten Paaren und den Regelungen der Deutschen Bischofskonferenz für die Taufeintragungen von Adoptivkindern aus dem Jahr 1995 wurde für den konkreten Einzelfall ausgewählt, was am ehesten passte – und den staatlichen Vorgaben entsprach.
Frage: Mit der Initiative #OutInChurch wuchs das Bewusstsein dafür, dass queere Menschen zur Kirche gehören. Steht das Ausführungsdekret damit in Zusammenhang? Oder ist es schon länger in Planung?
Weil: Diese Initiative war für das Vorhaben nicht ausschlaggebend. Die Thematik war in Fachkreisen der deutschen Verwaltungskanonisten mindestens seit 2015 in den verschiedensten Konstellationen immer wieder besprochen worden. Dort wurde bereits 2020 der Vorschlag eingebracht, der jetzt ein Bestandteil der Freiburger Regelung ist.
Frage: In den USA wird die Taufe von Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern gerade kontrovers diskutiert. Ist mit den Freiburger Regeln auch eine pastorale Linie verbunden? Bedeuten klare Regeln für den Taufbucheintrag von Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern, dass die Taufe von Kindern in gleichgeschlechtlichen Beziehungen völlig selbstverständlich und kein Problem ist?
Weil: Die Debatte in den USA ist mir nicht gut genug bekannt, um dazu Stellung nehmen zu können. Bei uns gilt die allgemeine Linie, die für jedes Kind gilt, das zur Taufe angemeldet wird. Diese ist im Kirchenrecht festgehalten: "Es muss die begründete Hoffnung bestehen, dass das Kind" – von den Eltern, wenigstens einem Elternteil oder deren rechtmäßigen Stellvertreter – "in der katholischen Religion erzogen wird". Nur wenn der zuständige Pfarrer zu der Auffassung kommt, dass diese Hoffnung fehlt, so ist die Taufe aufzuschieben, etwa bis zur eigenen Religionsmündigkeit. Nach deutschem Partikularrecht ist dafür zudem das Einvernehmen mit dem Dekan herzustellen.
Frage: Werden gleichgeschlechtliche Eltern, die um die Taufe ihres Kindes bitten, anders behandelt als verschiedengeschlechtliche?
Weil: Über die Theorie haben wir ja bereits gesprochen. Wie sie vor Ort umgesetzt wird, weiß ich nicht. Ich für meinen Teil habe da keine Sorgen. Ich vertraue auf die priesterlichen Mitbrüder, die immer noch in den meisten Fällen das Taufsakrament spenden, dass sie gute Hirten sind, die die Gemeinschaft mit der Kirche Jesu Christi wahren und den Menschen zugewandt sind. Das gilt entsprechend auch für andere in der Taufvorbereitung Tätige.
Frage: Die Regeln für diversgeschlechtliche und transidente Menschen setzen die staatlichen Bestimmungen um, während die kirchliche Lehre klar von einer Zweigeschlechtlichkeit ausgeht. Im Taufbuch wird nur dokumentiert, ohne das moralisch oder theologisch zu werten. Sehen Sie dennoch innerkirchliches Konfliktpotential durch diese Regelungen?
Weil: Der Taufeintrag eines Kindes dokumentiert ein Faktum, das schon geschehen ist. Die Entscheidung zur Taufe ist vorher von Eltern und Taufspender getroffen worden. Diese Entscheidung ist im Rahmen der kirchlichen Lehre, die ich skizziert habe, gefallen. Das muss dann auch Eingang in die Kirchenbücher finden können. Man könnte es so sagen: Ius sequitur vitam, das Recht folgt dem Leben. Es war einfach nötig, rechtliche Regelungen zu treffen, die auf diese gesellschaftliche Entwicklung reagieren, zumal das staatliche Recht entsprechende Vorgaben macht beziehungsweise in seiner Rechtsprechung entwickelt. Dies gilt es wahrzunehmen und zu prüfen, was davon in das kirchliche Recht übernommen werden kann oder muss, etwa um weiterhin Daten von den Standesämtern zu erhalten. Auch für das Kirchliche Datenschutzgesetz war dieser Punkt eine wichtige Motivation.
Im Übrigen gilt: Das kirchliche Recht erhält seine verbindlichen Vorgaben von der kirchlichen Lehre und bewegt sich daher in deren Rahmen.
Frage: Für die Kirchenbücher gibt es nun klare Vorgaben. Sehen Sie noch weiteren Änderungsbedarf im Kirchenrecht, sowohl im ortskirchlichen wie im universalkirchlichen, um mit sexueller Vielfalt und queeren Menschen angemessen umzugehen?
Weil: Unsere Erzdiözese Freiburg hat in diesem speziellen Bereich des Matrikelwesens eine Regelungslücke entdeckt und diese im Rahmen des bestehenden Rechtes geschlossen. Das geschah in Absprache mit den Fachleuten anderer Erzbistümer und Bistümer - aber so, wie wir es für richtig hielten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn sich das wiederholt und eine neue Regelungslücke entsteht, die sich im Rahmen der Lehre der Kirche und ihres Rechtes schließen lässt, warum sollen wir das nicht wiederholen?