Was die Stunde schlägt
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Impuls von Schwester Johanna Domek
Dieses Gleichnis, das nur im Evangelium des Lukas vorkommt, finde ich jedes Mal aufreizend und ärgerlich, wenn ich es lese. Dieser korrupte und unehrliche Mensch empört mich. Jedenfalls gehe ich nie unbehelligt an diesem Text vorbei. Vermutlich steckt von Anfang an Absicht dahinter. Aber immer wieder neu verstehe ich, dass ich hier nicht auf Korruption und Unehrlichkeit, sondern den vollen Einsatz eines Menschen sehen sollte, dem in seiner Lebensweise die Stunde geschlagen hat. Es ist für ihn höchste Zeit geworden, sich umzuorientieren und zu entscheiden, wie er nun weitermachen kann.
Mir kam der Titel von Ernest Hemingways (1899-1961) Roman "Wem die Stunde schlägt" (1940) in den Sinn. Er stammt aus einem Gedicht des englischen Dichters John Donne (1572–1631): "Kein Mensch ist eine Insel, in sich selbst vollständig; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinentes, ein Teil des Festlands; […] und darum verlange nie zu wissen, wem die [Toten-]Glocke schlägt; sie schlägt dir." (Meditation Nr.17). Das meint, jeder trägt die Verantwortung für sich in einem Zusammenhang der weit über ihn hinausgeht, – das ist auch ein moralischer Apell.
Im Gleichnis Jesu geht es allerdings viel weniger um diese sittliche Haltung als um die Entschiedenheit, mit der dieser Mensch sein Leben ändert, weil er weiß, dass ihm die Stunde schlägt, was ihm die Stunde geschlagen hat. Und er, der moralisch wirklich kein Vorbild abgibt, ist darin klug und vorbildlich für mich, meinen Lebensstil und mein Glaubensleben.
Pfarrer Friedrich Eink (1906-1994) war über 30 Jahre Pfarrer in St. Bruno, Köln-Klettenberg, später dann Seelsorger im Seniorenzentrum, das auf sein Betreiben hin dort, nicht am Rand, sondern im Stadtgebiet entstanden war. Ich hatte ihn um Hilfe bei einem Gespräch mit zwei Frauen gebeten, die in einer unserer Wohnungen lebten, in dem den beiden klar werden sollte, dass sie dort nicht mehr aufgrund ihres Alters so weiterleben konnten. In diesem Gespräch sagte er dann diesen Satz: "Ich habe einmal gelernt, die ersten fünf Jahre im Leben eines Menschen seien die wichtigsten. Heute weiß ich es besser: die letzten fünf Jahre im Leben eines Menschen sind die wichtigsten."
Ich habe den Satz nie vergessen, und im Herbst 2009, bewusst begonnen, in den letzten fünf Jahren meines Lebens zu leben. Auch wenn das jetzt schon etwas länger als fünf Jahre dauert, ist der Satz nach wie vor sehr hilfreich und brauchbar. Er sagt mir: Du hast noch etwas Zeit, aber nicht mehr alle Zeit. Wähle aus, entscheide dich, jetzt. Lebe, was du für dich entscheidest, fang an zu ändern, was nicht dazu passt, lass Manches, tu das Nötige, denk nicht nur darüber nach. Verschiebe das dir Wichtige nicht wieder und wieder, sondern lebe es mit vollem Engagement.
Evangelium nach Lukas (Lk 16,1–13)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Diesen beschuldigte man bei ihm, er verschleudere sein Vermögen.
Darauf ließ er ihn rufen und sagte zu ihm: Was höre ich über dich? Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung! Denn du kannst nicht länger mein Verwalter sein.
Da überlegte der Verwalter: Was soll ich jetzt tun, da mein Herr mir die Verwaltung entzieht? Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht und zu betteln schäme ich mich. Ich weiß, was ich tun werde, damit mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin.
Und er ließ die Schuldner seines Herrn, einen nach dem anderen, zu sich kommen und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Er antwortete: Hundert Fass Öl. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich schnell hin und schreib "fünfzig"!
Dann fragte er einen andern: Wie viel bist du schuldig? Der antwortete: Hundert Sack Weizen. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib "achtzig"!
Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte, und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. Ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es zu Ende geht!
Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen. Wenn ihr nun im Umgang mit dem ungerechten Mammon nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das Eure geben?
Kein Sklave kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.