Kirche solle bei Missbrauch nicht auf andere betroffene Institutionen verweisen

Beer: "Die Kirche hat selbst die Hütte angezündet"

Veröffentlicht am 25.08.2022 um 14:55 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Der frühere Münchner Generalvikar Peter Beer hält angesichts eines "völlig unangemessenen" Umgangs der Kirche mit Betroffenen und Tätern nichts davon, als Kirche in Sachen Missbrauch immer wieder auf andere betroffene Institutionen zu verweisen.

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Der frühere Münchner Generalvikar Peter Beer hält nichts davon, als Kirche in Sachen Missbrauch immer wieder auch auf andere davon betroffene Institutionen zu verweisen. "Die Kirche hat selbst die Hütte angezündet, indem völlig unangemessen mit Betroffenen und Tätern umgegangen wurde", sagte Beer im Interview der Zeitschrift "Herder Korrespondenz" (September). Nun stehe man auf der "rauchenden Ruine". Der Wiederaufbau werde nicht schneller und besser, indem man auf die "kokelnden Trümmer" der anderen schaue.

Beer: Modell für die Aufarbeitung in der Kirche evaluieren

"Wenn wir Schwierigkeiten beim Aufarbeitungsprozess haben, wird es doch nicht dadurch besser, zu sagen: Die anderen machen aber gar nichts", so der 56-jährige Priester. Wenn man wolle, dass sich die anderen auch um Aufarbeitung und Prävention kümmerten, müsse man das zuerst im eigenen Bereich machen. Vielleicht rege das dann andere an, sich den Bemühungen auf ihrem Feld anzuschließen. Der Versuch, sich mit dem Hinweis auf die Untätigkeit anderer selbst zu entlasten, gehe nicht. Im Vordergrund müsse die Sorge um die Betroffenen stehen, "hier und jetzt, ganz konkret im jeweils eigenen institutionellen Geflecht".

Das derzeit in Deutschland praktizierte Modell für die Aufarbeitung in der Kirche, das mit unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vereinbart wurde, stuft Beer als "Prozess" ein. Diesen sollte man periodisch und in überschaubaren Zeitintervallen evaluieren. "Man muss sehen, was sich dabei bewährt und was nicht." Dafür gelte es einen Zeitpunkt festzusetzen. Was nicht funktioniere, müsse dann umgehend geändert werden. Es gehe darum, mit den Betroffenen für die Betroffenen verbindlich immer wieder Perspektiven zu öffnen und zu erhalten.

Keine Institution könne eigene Aufklärung alleine bewerkstelligen

Keine Institution könne aber letztlich die eigene Aufklärung alleine bewerkstelligen, gab der promovierte Theologe und Pädagoge zu bedenken. Wenn in Deutschland jedoch der Staat zurückhaltend sei, dann dürfe die Kirche nicht sagen: "Glück gehabt! Wir kommen ohne Hilfe von außen aus." Es gelte zu schauen, wer die Aufgabe übernehmen und helfen könne. Das treffe auch für Sportvereine, Schulen, die Bundeswehr oder die Kunst- und Kulturbranche zu.

Beer war von 2010 bis 2019 Generalvikar der Erzdiözese München und Freising. Seit April 2020 lehrt er als Professor an der Universität Gregoriana ist ein enger Mitarbeiter des vatikanischen Kinderschutzexperten Hans Zollner, mit dem er zur Schule ging. (KNA)