Weltkirchentreffen in Karlsruhe: Ohne blumige Friedensbotschaften
Der Schatten des Ukrainekriegs fällt auch auf das Weltkirchentreffen, das am Mittwoch in Karlsruhe beginnt. Und so werden die rund 4.000 Christinnen und Christen – 800 Delegierte plus Beraterinnen und Gäste – von allen Kontinenten nicht nur über die Feinheiten ökumenischer Theologie beraten, sondern auch ganz konkret darüber, wie in Zeiten des Krieges ein Dialog zwischen Christen aus der Ukraine und aus Russland möglich sein wird. Kirchen aus beiden Ländern entsenden Delegationen.
ÖRK-Sprecherin Marianne Ejdersten verspricht dabei keineswegs blumige Friedensbotschaften, sie erinnert aber kurz vor Beginn der Versammlung an den Wert, überhaupt miteinander im Gespräch zu bleiben. "Wer außer uns, könnte Christen aus aller Welt an einen Tisch bringen?" Dem 1948 gegründeten Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) gehören heute rund 350 christliche Kirchen und Gemeinschaften an. Nach eigenen Angaben vertritt der ÖRK damit weltweit mehr als 500 Millionen Christen.
Für deren Austausch und Dialog ist Karlsruhe bereit. Seit Jahren laufen die Vorbereitungen. Wegen Corona wurde der Termin um ein Jahr verschoben. Ausschüsse haben diverse Papiere vorbereitet. Die Stadt Karlsruhe und die gastgebende badische Landeskirche organisieren eine umfangreiches Kultur- und Begegnungsprogramm mit Musik, Gottesdiensten und Diskussionsrunden. "Wir wollen Kirche als offen und dialoginteressiert erlebbar machen", sagt Bischöfin Heike Springhart. Über dem Karlsruher Schloss weht jetzt bis 8. September nicht die badische, sondern die ÖRK-Flagge. Ein bisschen erinnert sie an die Olympischen Ringe, zeigt aber Kreuz und Friedenstaube.
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Offizielle Hauptaufgabe der Vollversammlung und ihrer Ausschüsse, Untergruppen und der Plenarversammlung mit 800 stimmberechtigten Gesandten (die von mehreren hundert Beraterinnen und Beratern unterstützt werden) ist es, Themen und Schwerpunkte für die weltweite Ökumene-Arbeit der kommenden Jahre zu beschließen.
Und hier sind die Grenzen zwischen binnenkirchlichen und sozialpolitischen Fragestellungen fließend. Welche Antworten können christliche Gemeinschaften weltweit auf sich verschärfende Hungerkrisen und Armutskonflikte geben? Was ist die christliche Antwort auf Migration? Was auf global ungerecht verteilte Lebenschancen? Am kirchlichen "Tag der Schöpfung" am 1. September sollen christliche Perspektiven im Kampf gegen Klimawandel und für Natur und Artenvielfalt öffentliche Wirkung entfalten. Etwa mit einem großen Gottesdienst auf dem zentralen Marktplatz.
"Wenn wir unser Verhalten nicht ändern, wird unser Planet in 50 Jahren unbewohnbar sein. Wir müssen jetzt handeln", sagte ÖRK-Generalsekretär Ioan Sauca im Vorfeld. Die Bewahrung der Natur als theologisches Thema. Christen sollten für die "Heilung der gesamten Schöpfung" eintreten, so Saucas Forderung, der nach Karlsruhe als Generalsekretär aus dem Amt scheiden wird und an seinen gewählten Nachfolger, den Südafrikaner Jerry Pillay übergibt.
Für ziemliche Unruhe sorgt die für Karlsruhe erwartete Debatte über den Nahostkonflikt. Besonders die deutschen Delegierten wollen Beschlüsse verhindern, die als israelfeindlich oder gar antisemitisch verstanden werden könnten. Umgekehrt gibt es im ÖRK starke Stimmen, die mehr Unterstützung für christliche Gruppen im Nahen Osten fordern. Besonders auf jüdischer Seite in Deutschland die Anspannung hoch.
Beobachter raten aber zu etwas Gelassenheit statt über die Sozialen Medien ventilierter Aufregung. Schon das Konsensprinzip des ÖRK, wonach alle Entscheidungen von allen Delegationen gebilligt werden müssen, schütze vor extremen Positionen. Da die theologische wie gesellschaftspolitische Bandbreite der ÖRK-Mitgliedskirchen enorm groß ist, könnten dabei – nicht nur beim Thema Nahost – alle konkreten Beschlüsse schwierig werden und stattdessen allgemein und eher unverbindlich bleibende Papiere verabschiedet werden.
Nach Karlsruhe reist auch eine aus 20 Personen bestehende katholische Delegation, vor allem aus dem Vatikan und aus Deutschland. Allerdings ist die römisch-katholische Kirche kein ÖRK-Vollmitglied, versteht sich jedoch als enger Partner des Weltkirchenrats. Einer katholischen Mitgliedschaft stehen theologische und kirchenpolitische Grundhaltungen, etwa zu Amtsverständnis, zur Eucharistie oder zur Vorrangstellung des Papstes entgegen, außerdem die schiere Größe der katholischen Kirche im Vergleich zu den anderen Kirchen. Franziskus hat eine Grußbotschaft angekündigt.