Bildungsministerin Schavan tritt nach Plagiatsaffäre zurück

"Amt und Partei nicht belasten"

Veröffentlicht am 09.02.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Politik

Berlin ‐ Am Ende war der Druck zu groß: Nach der Aberkennung ihres Doktortitels ist Annette Schavan vom Amt als Bundesbildungsministerin zurückgetreten. Sie wolle Amt und Partei nicht durch ihre Klage gegen die Universität Düsseldorf belasten, begründete die 57-Jährige ihre Entscheidung am Samstag bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) in Berlin.

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Schavan blieb bei ihrer Erklärung dabei, dass sie in ihrer Doktorarbeit "weder abgeschrieben noch getäuscht habe". In den vergangenen Tagen habe sie sich bei ihrer Reise durch Südafrika Gedanken über die politischen Konsequenzen gemacht und die Entscheidung zum Rücktritt getroffen. Die Universität Düsseldorf hatte ihr den 1980 erworbenen Doktortitel am Dienstagabend aberkannt.

Bundeskanzlerin Merkel würdigte die "außerordentlichen Leistungen" Schavans. Den Rücktritt habe sie "schweren Herzens" angenommen. Schavan sei "im Grunde die anerkannteste und profilierteste Bildungs- und Forschungsministerin" in Deutschland. Als Nachfolgerin im Amt der Bildungsministerin nominierte Merkel die niedersächsische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU). Die 61-Jährige stammt aus Sachsen und war 2010 als erste Politikerin aus Ostdeutschland in einem westdeutschen Bundesland Ministerin geworden.

Glück: Menschliche Tragödie

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, bezeichnete den Rücktritt Schavans als "menschliche Tragödie". Schavan habe über eineinhalb Jahrzehnte die Bildungspolitik wesentlich geprägt. Sie sei ein "unabhängiger Geist, der auch den Mut hat, eigene Positionen zu beziehen und der keine Widerstände scheut". Als engagierte Katholikin habe Schavan wesentlich das kirchliche Leben mitgeprägt.

Auch Politiker der Opposition äußerten sich mit Respekt über Schavan und ihre Rücktritts-Entscheidung. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bezeichnete Schavan in der "Welt am Sonntag" als "eine hoch anständige und kompetente Kollegin, um die es mir außerordentlich leid tut". Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nahm den Rücktritt ebenfalls "mit Respekt" zur Kenntnis.

Johanna Wanka.
Bild: ©KNA

Johanna Wanka.

Einzige Theologin in der Bundesregierung

Schavan war die einzige Ministerin mit Theologiestudium in der Bundesregierung. Als frühere Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) kennt sie die katholische Kirche aus dem Effeff. Während die ostdeutsche Naturwissenschaftlerin Merkel die Partei behutsam modernisierte, stand Schavan besonders für Werteorientierung: "Unser C ist nicht Dekoration, es gehört zum Kompass. Beliebigkeit ist kein guter Ratgeber." Das hinderte Schavan allerdings nicht, sich während ihrer Zeit als Bildungsministerin wiederholt mit den katholischen Bischöfen anzulegen: Bei Stammzellforschung und Präimplantationsdiagnostik (PID) steckte sie massive Schelte der Kirchenoberen ein.

Schavan, 1955 im rheinischen Jüchen bei Neuss geboren, studierte von 1977 bis 1980 in Bonn und Düsseldorf katholische Theologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften. Anschließend begann sie ihre berufliche Laufbahn bei der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk in Bonn. Nach weiteren Stationen übernahm sie 1991 die Leitung des Begabtenförderungswerks.

Plädoyer für die Autonomie des Gewissens

Lange galt Schavan in der CDU als Joker, der für viele Ämter gut war. 1995 wurde sie Kultusministerin in Baden-Württemberg. Dort krempelte sie die Schullandschaft um und gewann Profil im Kopftuchstreit. Wolfgang Schäuble holte sie in die Führung der Bundespartei, wo Schavan eine seiner vier Stellvertreter wurde. 2005 wurde sie Bundesbildungsministerin.

Mit ihrer Doktorarbeit zum Thema "Person und Gewissen" wurde sie 1980 promoviert. Darin plädiert sie für die Autonomie des Gewissens sowie für die Verantwortung des Einzelnen. "Ein treu zu seiner Kirche stehender Katholik" müsse in seine "gewissenhafte Prüfung" die objektiven Normen des katholischen Lehramtes mit einbeziehen, heißt es dort. Dennoch dürfe er aber zu einer "von der lehramtlichen Entscheidung abweichenden Auffassung kommen", die er dann auch vertreten und praktizieren dürfe. (stz/KNA)