Bistum Magdeburg weiterhin ohne Betroffenenbeirat
Im Bistum Magdeburg gibt es weiterhin keinen Betroffenenbeirat für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt durch Geistliche. "Das Bistum hat seit mehr als einem Jahr viel dafür getan, um Betroffene für die Aufarbeitung zu finden – leider ohne Erfolg", sagte der Vorsitzende der unabhängigen Aufarbeitungskommission in der ostdeutschen Diözese, Winfried Schubert, am Mittwoch auf Anfrage von katholisch.de. Dies sei problematisch, denn ohne Betroffene und deren Informationen könnten die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und die Aufdeckung von Täterstrategien kaum gelingen.
Die Aufarbeitungskommission habe deshalb in der vergangenen Woche beschlossen, jetzt selbst aktiv nach Betroffenen zu suchen und dabei neue Wege zu beschreiten. "Wir wollen nicht mehr explizit nach Mitwirkenden für einen Betroffenenbeirat suchen, weil wir vermuten, dass die potenziell arbeitsintensive Mitarbeit in einem solchen Beirat viele Interessierte eher abschreckt", so Schubert. Stattdessen wolle man möglichst niedrigschwellig nach Betroffenen suchen, die bereit seien, ihre Geschichten und Erfahrungen in die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt einzubringen.
Schubert: Noch stärker für Aufarbeitung werben
Zudem kündigte Schubert an, im Bistum noch stärker als bisher für die Aufarbeitung zu werben und zur Beteiligung daran aufzurufen. "Unter anderem haben wir mit dem Ordinariat vereinbart, dass wir uns und unsere Arbeit bei den nächsten Dekanatskonferenzen vorstellen, damit das Anliegen, Betroffene zu finden und zur Mitarbeit zu bewegen, von dort weitergetragen werden kann", erläuterte der Vorsitzende der Aufarbeitungskommission. Zudem wolle man auch die katholischen Verbände in der Diözese darum bitten, aktiv bei der Suche nach Betroffenen zu helfen.
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte im Juni 2020 als erste Institution in Deutschland mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung eine "Gemeinsame Erklärung" zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch geschlossen. Unter anderem sah die Erklärung die Einrichtung von Betroffenenbeiräten in allen deutschen Diözesen vor. Das Bistum Magdeburg und Bischof Gerhard Feige hatten in der Folge wiederholt Betroffene dazu aufgerufen, sich an der Aufarbeitung zu beteiligen – ohne Erfolg. Zuletzt hatte Feige im Februar einen entsprechenden Brief an die Gemeinden und Einrichtungen seines Bistums geschrieben.
Aufarbeitungskommission will Stasi-Akten in den Blick nehmen
Nach früheren Angaben des Bistums sind seit 1946 auf dem Gebiet der Diözese 13 Priester bekannt, die des Missbrauchs beschuldigt werden, sowie mindestens 23 Betroffene. Bis auf einen Geistlichen, der aus dem Priesteramt entlassen worden sei, seien die beschuldigten und teilweise überführten Priester bereits gestorben. Zudem seien in dem Zeitraum zehn Mitarbeitende des Bistums ohne kirchliches Amt, die des Missbrauchs beschuldigt wurden, mit elf Betroffenen bekannt geworden. Die Fälle mit noch lebenden Tatverdächtigen seien seit 1994 an die Staatsanwaltschaft übergeben worden. In "Anerkennung des Leids" zahlte das Bistum nach eigenen Angaben bislang 105.000 Euro an Betroffene. Die einzelnen Beträge hätten dabei zwischen 5.000 und 40.000 Euro gelegen.
Mit Blick auf die weitere Missbrauchsaufarbeitung kündigte Schubert am Mittwoch an, auch die Aktenbestände der früheren Staatssicherheit der DDR in den Blick zu nehmen. "Die Stasi war in der DDR allgegenwärtig. Es könnte also sein, dass man in deren Unterlagen mehr Informationen über Missbrauchsfälle findet als in den kirchlichen Personalakten", so Schubert. Die Personalakten schaue sich die Kommission aber auch weiter an. (stz)