Streit ums liebe Geld
Wie groß die Erfolgsaussichten sind, ist noch unklar. Während in der ersten Lesung im Bundestag am 28. Februar Politiker von SPD und FDP gegen den Vorschlag argumentierten (einige Unions- und Grünenpolitiker nahmen wegen des zeitgleichen Dankgottesdienstes für Benedikt XVI. an der Debatte nicht teil), berichtet der "Spiegel" in dieser Woche, es zeichne sich fraktionsübergreifend eine grundsätzliche Zustimmung ab. Raju Sharma, der religionspolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, sagte katholisch.de: "Ich bin Realist genug um zu wissen: Unverändert wird der Gesetzentwurf nicht verabschiedet. Aber ich bin auch Optimist und denke, es wird zumindest ernsthafte Beratungen geben und es wird anerkannt, dass wir an dieses Thema ran müssen".
Staatsleistungen sind keine Kirchensteuer
Was sich hinter dem sperrigen Begriff der "Staatsleistungen" verbirgt, hat seinen Ursprung im 19. Jahrhundert. Nicht zu verwechseln sind die Geldzahlungen mit der Kirchensteuer. Zur Erhebung dieser Abgabe vom Gehaltszettel der Gläubigen haben die Kirchen die Berechtigung, weil sie eine Körperschaft öffentlichen Rechts sind – außer der Tatsache, dass er die Steuer für die Kirchen einzieht, hat der Staat damit nichts zu tun. Die Staatsleistungen dagegen wurden im Zuge der Säkularisation 1803 eingeführt, um die Kirche für bestimmte Nachteile zu entschädigen. "Der Staat wollte damals zwar Klöster und geistliche Nachbarstaaten aufheben, nicht aber Seelsorge und Pfarreien zerstören, die für die Bürger wichtige Angebote waren", erklärt Klaus Unterburger, Kirchenhistoriker an der Universität Regensburg. Weil aber beides eng miteinander verknüpft war, wurde die Seelsorge sozusagen automatisch mitgeschwächt. "Hier galt es, finanzielle Unterstützung zu gewähren", erklärt Unterburger. Seitdem sind die Staatsleistungen ein grundgesetzlich festgeschriebener Rechtsanspruch der Kirchen.
„Bei den Staatsleistungen handelt es sich um einen klaren Rechtsanspruch. Der kann nicht einfach beendet werden“
Schon in der Weimarer Reichsverfassung und später auch im Grundgesetz ist jedoch auch die Forderung enthalten, die Staatsleistungen "abzulösen", also neu zu regeln. Das wissen auch die Kirchen. Nach Auffassung ihrer Experten müsste in diesem Fall eine letzte Einmalzahlung des Staates jedoch so hoch sein, dass aus den Zinsen alle die Leistungen erbracht werden könnten, die bisher mit den jährlichen Staatsleistungen bezahlt wurden. Das wäre nach wissenschaftlichen Berechnungen der Fall, wenn der Betrag etwa dem 25- bis 40-fachen der bisherigen jährlichen Überweisungen entspricht. Der Gesetzentwurf der Linken sieht jedoch nur das Zehnfache vor.
Gemeinsame Interessen von Staat und Kirche
Politiker Scharma signalisiert in diesem Punkt Gesprächsbereitschaft. "Es wird darum gehen, den Preis für die Ablösung der Staatskirchenleistungen zu verhandeln", sagt er. Dass es dabei wahrscheinlich nicht bei dem von den Linken eingebrachten zehnfachen Jahresbetrag bleiben wird, ist auch ihm klar.
Klaus Unterburger hat dennoch seine Probleme mit dem Gesetzesvorschlag der Linken. "Bei den Staatsleistungen handelt es sich um einen klaren Rechtsanspruch. Der kann nicht einfach beendet werden", sagt der Theologe. Letztendlich profitiere der Staat an vielen Stellen von der Kirche: "Da ist die Seelsorge für die Menschen, die in Deutschland leben. Oder denken Sie an die schöne Wallfahrtskapelle, die auch für weltliche Touristen eine Attraktion ist". Nicht umsonst habe sich die Politik bisher Zeit gelassen, dem Verfassungsauftrag zu entsprechen, ist sich Unterburger sicher.
Auch einige Bundestagsabgeordnete halten es nicht unbedingt für notwendig, die Regelung zu ändern. So sagte der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz während der Debatte Ende Februar, die Ablösung der Staatsleistungen könne nicht von heute auf morgen geregelt werden. Es sei nötig, einen fairen Diskussionsprozess in Deutschland zu organisieren und dabei auch die Kirchen einzubinden. Dieser könne aber durchaus auch zu dem Ergebnis kommen, dass der bestehende Zustand beibehalten werde, so Wiefelspütz. Auch für diesen Fall hat der Politiker schon eine Lösung: Dann müsste eben der Auftrag im Grundgesetz geändert werden. (mit Material von KNA)
Von Gabriele Höfling