Vom "verpfuschten Bau" zum Glanzstück des fränkischen Rokoko
"Aus einem verpfuschten Bau ist ein Geniestreich geworden." Pater Maximilian Wagner steht vor dem Gnadenaltar in der oberfränkischen Basilika Vierzehnheiligen. Der Franziskaner gerät ins Schwärmen: vom Raumgefühl, der Weite und dem Licht, welches das Gotteshaus hoch über dem Maintal auszeichnet. Das alles gäbe es nicht, wäre die Kirche streng nach Plan gebaut worden. Doch der Streit verschiedener Herren und Architekten hat das verhindert. So ist ein Meisterwerk des fränkischen Rokoko entstanden, das am 16. September vor 250 Jahren geweiht wurde.
Wer das heutige Aussehen des Gotteshauses verstehen will, muss ins 15. Jahrhundert zurückgehen. Denn dort liegt der Ursprung, weshalb überhaupt eine Kirche entstanden ist. Es ist der 17. September 1445: Hermann Leicht hütet seine Schafe unweit des Klosters Langheim. Da erscheint ihm das Christuskind – mehrfach. So erzählt es die Legende. Einmal ist es umringt von vierzehn kleinen Kindern, gekleidet in weiß-rot. Sie fordern den Schäfer auf, an der Stelle eine Kapelle zu bauen.
Die 14 Kinder stehen für die 14 Nothelfer, eine Schar von Heiligen, meist Märtyrern. In bestimmten Notlagen sollen sie besonders gute Fürsprecher sein. Manch einer aus diesem himmlischen Versicherungspaket hat es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht: Christophorus als Patron der Autofahrer oder Blasius, wenn der Hals kratzt. Doch auch für Epilepsie und Tollwut (Vitus), für Gebärende (Margareta) oder bei teuflischen Anfechtungen (Cyriakus) gibt es den oder die Richtige.
Der Schäfer befolgt, was die Kinder ihm befohlen haben. Bald kommen immer mehr Wallfahrer an den Ort. Selbst Bauernkriege und der Dreißigjährige Krieg sorgen für keinen Abbruch. Im 18. Jahrhundert soll ein Neubau her in Vierzehnheiligen. Doch Abt Stephan Mösinger von Kloster Langheim und der amtierende Bamberger und Würzburger Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn können sich nicht auf einen Architekten einigen.
Eine kleine Verlegung mit großen Folgen
Bis Baumeister Balthasar Neumann ins Spiel kommt. Einer seiner Entwürfe wird 1742 unterzeichnet, ein Jahr später erfolgt die Grundsteinlegung am Fest des Nothelfers Georg (23. April). Die Baustelle gibt es da schon ein Jahr. Der Abt hat Gottfried Heinrich Krohne hinzugezogen, den er zuvor mit den Plänen beauftragt hatte. Krohne verlegt entgegen Neumanns Entwurf den Bau einige Meter nach Osten, möglicherweise, um aufwendige Planierarbeiten und so auch Geld zu sparen. Die Folge: Der Gnadenaltar mit den 14 Nothelfern am Ort der Erscheinung stehen so nicht mehr in der Vierung der Kirche, sondern im Langschiff.
Als Neumann und der Fürstbischof merken, was geschehen ist, ist es zu spät. Der Baumeister passt seine Pläne an. Bis zu seinem Tod 1753 beaufsichtigt er den Bau, sein Schüler Johannes Thomas Nißler vollendet die Kirche. Der Wessobrunner Künstlertrupp mit dem Augsburger Johann Michael Feichtmayr an der Spitze schaffen die Stuckaturen und Altäre, für die Innenausmalung und Altarbilder zeichnet der kurfürstliche Hofmaler Guiseppe Appiani verantwortlich. 1772 wird das Gotteshaus eingeweiht. 1897 wurde sie von Papst Leo XIII. zur Basilika ernannt.
Vierzehnheiligen gilt heute als ein Meisterwerk Neumanns und ist daher nicht nur ein beliebter Wallfahrtsort, sondern auch Touristenmagnet. Pater Maximilian hat erst eine Gruppe aus Sachsen das Gotteshaus nahegebracht. "Pastorale Kurzgespräche kann man dabei ganz gut üben", sagt er über seine Tätigkeit als Kirchenführer. Aber natürlich stehe die Wallfahrt im Vordergrund, die Jahr für Jahr tausende Pilger auf den Berg im Maintal zieht.
Wer die Nothelfer gezielt aufsuche, der picke sich einen einzelnen Heiligen heraus, sagt Pater Maximilian. "Das ist sicher legitim." Und dann erzählt der Franziskaner von dem Georgs-Brauch, der in Vierzehnheiligen bis heute an jedem 23. April gepflegt wird. Früher kamen mehrere Hundert Georgen und Georginen zur Messe. Heute sind es weniger. Der Name ist nicht mehr so beliebt. Dabei bietet ein Georgen-Komitee allen Eltern für den Taufnamen ein kleines Geschenk samt Urkunde.
Pater Maximilian selbst mag sich nicht auf einen Nothelfer konzentrieren. "Ich sage immer: Man muss das Gesamtpaket sehen." Er führt in die Votivkammer. Sie ist voll mit Gaben von Menschen, die den Nothelfern für ihren Beistand danken. Ein Votivbuch erzählt von Anliegen - und Gebetserhörungen. Fünf bis sechs solcher gut hundert Seiten starker Bücher braucht es jedes Jahr, berichtet Pater Maximilian. Das klingt nach Akkordarbeit für die himmlischen Helfer.