Visavergabe: Auswärtiges Amt weist Vorwürfe von missio Aachen zurück
Das Auswärtige Amt hat Vorwürfe des katholischen Hilfswerks missio Aachen bezüglich einer diskriminierenden Visavergabe an deutschen Botschaften in Afrika zurückgewiesen. "Die deutschen Auslandsvertretungen entscheiden über Schengen-Visaanträge in jedem Einzelfall nach Maßgabe der geltenden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften und sorgfältiger Prüfung aller Umstände. Wir können Ihnen versichern, dass keine anderen als rein rechtliche Vorgaben eine Rolle spielen bei der Entscheidung über einen Visumantrag", teilte das Ministerium am Montagabend auf Anfrage von katholisch.de mit. Insbesondere sei das Alter der antragstellenden Person kein Entscheidungskriterium.
Missio Aachen hatte den deutschen Botschaften in Kenia und Nigeria zuvor am Montag vorgeworfen, junge Afrikanerinnen und Afrikaner bei der Visavergabe für kirchliche Jugendaustauschprojekte zu diskriminieren. "Wir haben kirchlich engagierte junge Menschen aus diesen Ländern nach Deutschland eingeladen. Während Visa für Ältere erteilt werden, trifft es immer die jungen Leute. Ihnen wird, weil sie jung sind, pauschal eine fehlende Rückkehrbereitschaft unterstellt", erklärte missio-Präsident Dirk Bingener in Aachen.
Bingener sieht auch Ministerin Baerbock in der Pflicht
Die Vorgehensweise der Botschaften variiere, so der Geistliche weiter: "Mal gibt es erst gar keinen Termin bei der Botschaft, die Echtheit der Dokumente wird angezweifelt, man verlangt immer weitere Dokumente oder der Ermessensspielraum des jeweiligen Botschaftsmitarbeiters wird angeführt." Im Ergebnis bekämen die Betroffenen nie Visa, obwohl alle notwendigen Garantien aus Deutschland vorlägen. "Diese diskriminierende Praxis aufgrund des Lebensalters muss endlich aufhören", forderte Bingener. Das Auswärtige Amt in Berlin und an seiner Spitze Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) seien hier in der Pflicht.
Das Ministerium betonte gegenüber katholisch.de, dass die Prüfung eines Visumantrages für Aufenthalte von bis zu 90 Tagen den auf europäischer Ebene abgestimmten Vorschriften des Visakodex unterliege. Die Prüfung eines Visumantrags umfasse unter anderem die finanzielle und familiäre Verwurzelung im Heimatland. "Im Visumverfahren müssen daher durch die antragstellende Person objektive Tatsachen vorgetragen werden, die eine Rückkehr nach Ablauf des Visums wahrscheinlich machen", so das Auswärtige Amt. Eine Verpflichtungserklärung oder Einladung aus Deutschland, zum Beispiel von der Kirche, diene als Nachweis, dass der Lebensunterhalt während des Aufenthalts in Deutschland gesichert sei. "Die Verpflichtungserklärung kann jedoch nicht als Nachweis der Rückkehrwilligkeit des Antragstellenden herangezogen werden."
Auswärtiges Amt: Botschaft in Nairobi hat bereits Visa erteilt
Laut missio waren von der Praxis der Botschaften im vergangenen Jahr Jugendliche aus einem missio-Partnerprojekt in Nigeria betroffen, in diesem Jahr gehe es um junge Menschen des kenianischen missio-Partners YOUNIB, der katholische Jugendsozialarbeit in den Armenvierteln von Nairobi betreibe. Die in dem Projekt engagierten Ehrenamtlichen sollten nach Angaben des Hilfswerks zum bevorstehenden "Monat der Weltmission" nach Deutschland kommen und mit Mitgliedern der missio-Jugendinitiative #strongbymissio über soziale Gerechtigkeit, Jugendsozialarbeit, demokratische Bildungsarbeit und ihren Glauben ins Gespräch kommen.
Das Auswärtige Amt erklärte dazu, dass es sich aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben nicht zu Visaeinzelfällen äußern könne. Zugleich betonte das Ministerium, dass durch die deutsche Botschaft in Nairobi bereits Visa für den "aktuellen Reisezweck auf Einladung der Kirche" – gemeint ist wohl der "Monat der Weltmission" – erteilt worden seien. (stz)
Ergänzung, 20.9., 16:15 Uhr: Missio wirft deutschen Botschaften weiter Diskriminierung vor
Das Hilfswerk missio Aachen hat der Stellungnahme des Außenministeriums widersprochen. Es wirft deutschen Botschaften weiter Diskriminierung junger Afrikaner bei der Visa-Vergabe für kirchliche Jugendtreffen vor. Sie erhielten häufig keine Visa, weil ihnen pauschal unterstellt werde, sie wollten nicht zurückkehren, sondern in Deutschland bleiben.
Am Dienstag erklärte missio: "Wer als junger Mensch keinen Ehepartner und keine eigenen Kinder gegenüber der Botschaft nachweisen kann und nicht über finanzielle Rücklagen, beispielsweise einen Immobilienbesitz, verfügt, dem wird offenbar pauschal eine fehlende Rückkehrbereitschaft unterstellt." Diese Kriterien aber zum Maßstab zu machen, sei "vollkommen widersinnig, weil junge Menschen in dieser Lebensphase in der Regel weder verheiratet sind noch eigene Kinder haben". De facto würden so junge Menschen aufgrund ihres Lebensalters diskriminiert, kritisierte das Hilfswerk: "Diese diskriminierende Praxis muss aufhören." Damit greife man unter anderem frühere Forderungen der Grünen zur Praxis der Visa-Vergabe auf.
"... aber darum geht es dabei auch nicht"
Auf Unverständnis stoße auch der Hinweis, die Verpflichtungserklärung könne nicht als Nachweis der Rückkehrwilligkeit herangezogen werden. Dies sei zwar richtig, "aber darum geht es dabei auch nicht". Bei der Verpflichtungserklärung bestätige die einladende Organisation, auch dann für Kosten aufzukommen, sollte der Eingeladene nicht in sein Heimatland zurückkehren: "Ohne diese weitreichenden Garantien wäre ein Visabegehren sowieso aussichtslos."
Die Aussage des Ministeriums, man habe bereits Visa für den Weltmissionsmonat im Oktober erteilt, sei korrekt, betonte missio weiter – "aber eben nur für ältere Teilnehmende". Eine junge Frau habe "wegen angeblich fehlender Rückkehrbereitschaft zweimal einen Ablehnungsbescheid erhalten". Die anderen jüngeren Eingeladenen warteten bis heute auf eine Rückmeldung, so missio-Präsident Dirk Bingener: "Hier gibt es also einfach keine Entscheidung. Sogar die Option eines Einspruchs gegen eine mögliche Ablehnung ist uns somit de facto verwehrt." (tmg/KNA)