"Es wird weniger Institution geben müssen"

Bischof Bode: Ausgetretene müssen unsere Aufmerksamkeit behalten

Veröffentlicht am 26.09.2022 um 12:24 Uhr – Lesedauer: 

Osnabrück ‐ Jedes Jahr reagieren die deutschen Bischöfe mit Erschüttern auf die hohen Austrittszahlen. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode wirbt jetzt dafür, die Ausgetretenen mehr in den Blick zu nehmen. Das habe auch Einfluss auf die Ekklesiologie.

  • Teilen:

Angesichts der zahlreichen Kirchenaustritte wirbt der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode dafür, aus der Kirche ausgetretene Menschen mehr in den Blick zu nehmen. "Gerade diejenigen, die aus Protest die Kirche verlassen und dabei den Verlust der geistlichen 'Heimat' spüren, müssen unsere besondere Aufmerksamkeit behalten", betonte Bode in einem Gastbeitrag für die "Herder Korrespondenz" (Oktober-Ausgabe). Sie kämen zu vielen Gelegenheiten noch in die Kirche, gingen teilweise auch zur Kommunion, bis sie sich mit der Zeit doch entfremdeten, sofern es nicht neue Weisen der Verbindung zur Kirche gebe.

Nötig ist aus Bodes Sicht, dass Bischöfe Gespräche mit Ausgetretenen und Austrittswilligen suchten. "Freilich werden durch diese Begegnungen nur wenige erreicht. Aber die positive Erfahrung wird weitergesagt und animiert wieder andere zum Sprechen und zum Kontakt." Die Bischöfe müssten zudem noch einmal von Grund auf über die kirchenrechtliche Wirkung des Austritts, eine angemessene Reaktion darauf und eine pastorale Begleitung der Ausgetretenen nachdenken. Auch das derzeitige Kirchensteuersystem gelte es in den Blick zu nehmen und wie dieses System künftig der Kirche und ihren Aufgaben dienen könne. Es sei zu bedenken, "welch hohen pastoralen Preis wir inzwischen dafür zahlen." Mit einem Austritt verliere man schließlich nicht nur eine Person, sondern meist auch die folgenden Generationen, so Bode.

"Absichtslose Gastfreundlichkeit" eine der wichtigsten Voraussetzungen

Der Kirche müsse es darum gehen, allen Menschen hilfreich und einladend zu begegnen. "Absichtslose Gastfreundlichkeit, gelebt von authentischen und überzeugenden Personen – haupt- und ehrenamtlich –, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für neue Bindungen von Menschen untereinander und mit Kirche." Dabei gehe es nicht darum zu missionieren, sondern den "vorhandenen Lebensglauben aufzugreifen, daran anzuknüpfen, ihn zu deuten: Sehnsucht nach Orientierung, nach einem Sinn des Ganzen, nach einer lebenswerten Zukunft". Trotz des zerbrochenen Vertrauens in die Kirche erwarteten viele Menschen "echte Seelsorge und lebensdeutende Riten, ebenso gute Bildung etwa in Kindertagesstätten und Schulen, hohes karitatives Engagement in Beratung und Begleitung und nicht zuletzt einen gehörigen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft", betonte der Bischof.

Es brauche zudem eine offenere Ekklesiologie. Er gelange immer mehr zur Überzeugung, "dass Kirche nicht ein fest gerahmtes, umgrenztes Unternehmen ist, bei dem drinnen und draußen klar definiert sind – selbst bei einer klaren Vorstellung von Kirchenmitgliedschaft –, sondern dass sie mehr und mehr einem kreuzförmigen Koordinatensystem entspricht, in dem jeder und jede sich zur Mitte, zum Kreuz-Punkt, verschieden verhalten kann und doch dazugehört", so Bode. Die wichtigste Haltung angesichts der "Explosion der Austritte" sei es, zu lernen, als Minderheit demütiger, gelassener und schöpferischer zu werden. "Es wird weniger 'Institution' geben (müssen) – bei aller Notwendigkeit des Institutionellen – und mehr 'personales Christsein' von Einzelnen und Gruppen in enger ökumenischer Verbundenheit." (cbr)