Am "Mandela-Tag" sollen Südafrikaner Gutes tun

Zwischen Leben und Sterben

Veröffentlicht am 18.07.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Südafrika

Kapstadt ‐ Fast ist man geneigt zu sagen: Wenn das Mandela noch erlebt hätte... Vergeblich haben zwei der höchsten religiösen Autoritäten des Landes, Alterzbischof Desmond Tutu und sein Nachfolger in Kapstadt, Thabo Makgoba, die Nation gebeten: "Lassen wir ihn in Frieden gehen!" Doch nicht nur, dass sich die Medien seit Ende Juni einen beschämenden Rummel vor Nelson Mandelas Krankenhaus in Pretoria lieferten.

  • Teilen:

Nicht nur, dass sich die Familie öffentlich um seinen Grabplatz zankte und tote Angehörige hin und her durchs Land trug. Nun muss der Friedensnobelpreisträger, der offenbar seit Wochen künstlich beatmet wird, noch einmal seinen Geburtstag feiern lassen: Heute wird Nelson Mandela 95 Jahre alt.

Das Bild zeigt einen schlauchähnlichen Gang mit weißen Wänden, von dem Links und Rechts braune Türen abgehen.
Bild: ©dpa/picture alliance

In diesem Gefängnis auf Robben Island hat Nelson Mandela 18 Jahre seines Lebens zugebracht.

Kein Südafrikaner erwartet inzwischen mehr, "Madiba" noch einmal bei Bewusstsein zu sehen. "Madiba", das ist Mandelas Stammes- und Kosename. "Damit er wieder gesund wird, braucht es ein Wunder. Aber die Zahl an Wundern, die ein Mensch bekommt, ist irgendwann ausgeschöpft", orakelte schon vor Wochen ein Chief, ein traditioneller Stammesführer. Redaktionen überall auf der Welt haben ihre Porträts für den Todesfall vorliegen; in den großen Sendern sind Sonderprogramme startbereit.

Nun, kurz vor dem unerwarteten Geburtstag, zu dem wieder Grüße und Genesungswünsche aus aller Welt eingehen, kommt auch noch mal etwas Bewegung in die zuletzt mehr und mehr sterilen medizinischen Bulletins. Der Zustand des Patienten sei "nach wie vor kritisch, aber stabil", hieß es am Sonntag. Er spreche auf die Behandlung an, sagte Mandelas Ehefrau Graca Machel. Ja, Mandelas Amtsnachfolger als Staatspräsident (1999-2008) und ANC-Mitstreiter Thabo Mbeki verstieg sich am Samstag sogar zu der Aussage, es gehe Madiba besser, und er werde sicher bald nach Hause verlegt. Er, Mbeki, kenne die behandelnden Ärzte.

Unwürdiger Auftritt seiner "Erben"

Freunde, die ihn zuletzt besuchten, bestätigten, dass der Friedensnobelpreisträger mit Maschinen am Leben erhalten werde. Immer wieder wurde Mandela seit Dezember wegen einer Lungeninfektion ins Krankenhaus gebracht, die auf seine 27 Jahre Haft auf der Gefängnisinsel Robben Island vor Kapstadt zurückgeht. Das Land hätte sich allmählich in das unvermeidliche Loslassen fügen können. Doch es kam anders, unruhiger, unwürdiger.

Nelson Mandela (links) übergibt den goldenen WM-Pokal an Francois Pienaar (rechts).
Bild: ©dpa/picture alliance/Jean-Pierre_Muller

Die "Springboks" waren 1995 der Stolz der Regenbogennation. Mandela hoffte, der Gewinn der Rugby-WM im eigenen Land könnte die Nation vereinen.

Sein letzter öffentlicher Auftritt war eigentlich die Schlussfeier der Fußball-WM 2010 im eigenen Land gewesen. Ende April dann sorgte eine umstrittene TV-Schaltung für Grusel und Proteste, die den Greis apathisch inmitten fröhlicher selbsternannter politischer Erben zeigte: Staatspräsident Jacob Zuma, ANC-Vizepräsident Cyril Ramaphosa und anderer Parteifunktionäre. "Wie ein Tier im Zoo. Wir sollten uns schämen", twitterte ein zorniger Bürger damals. Kein alter Mensch verdiene einen solchen Auftritt.

Sterben in Würde - Sterben ohne Würde. Vielleicht kann das Theater um Mandelas Geburts- und Todestag ein letzter moralischer Impuls sein, eine letzte ethische Debatte, die der "Vater der Nation" anstoßen kann. Es ist zu hoffen, dass ihm das Schicksal von Israels früherem Ministerpräsidenten Ariel Scharon (85) erspart bleibt. Scharon wird seit einem Schlaganfall im Wachkoma gehalten - seit siebeneinhalb Jahren.

Von Alexander Brüggemann (KNA)

Invictus (Unbezwungen)

In seiner Autobiografie schreibt Nelson Mandela, dass ihm dieses Gedicht von William Ernst Henley half, die Haft auf Robben Island durchzustehen. Aus finstrer Nacht, die mich umragt, durch Dunkelheit mein‘ Geist ich quäl. Ich dank, welch Gott es geben mag, dass unbezwungn ist meine Seel. Trotz Pein, die mir das Leben war, man sah kein Zucken, sah kein Toben. Des Schicksals Schläg in großer Schar. Mein Haupt voll Blut, doch stets erhobn. Jenseits dies Orts voll Zorn und Tränen, ragt auf der Alp der Schattenwelt. Stets finden mich der Welt Hyänen. Die Furcht an meinem Ich zerschellt. Egal wie schmal das Tor wie groß, wieviel Bestrafung Ich auch zähl. Ich bin der Meister meines Los. Ich bin der Captain meiner Seel. (William Ernest Henley)