Pfarrer: Mundart schließt dem Heiligen Geist die Herzen auf
Schon seit vielen Jahren engagieren sich Menschen, um auch in der Kirche ihre Mundart sprechen zu können. Seit Neuestem gibt es dafür den Verein "Mundart in der Kirche", der zwar in Franken sitzt, sich aber auch mit anderen Mundarten beschäftigt. Im Interview spricht der Vorsitzende und evangelische Pfarrer Claus Ebeling über den Dialekt im Jahr 2022 und einen besonderen Zugang zu Gott.
Frage: Herr Ebeling, warum wurde der Verein "Mundart in der Kirche" gegründet?
Ebeling: Den Arbeitskreis "Mundart in der Kirche" gibt es schon seit 27 Jahren. Ein Verein ist nun die beste Rechtsform, um unsere Arbeit zu verstetigen und unsere Publikationen vermarkten zu können. Da ist ein Verein einfach das Praktischste.
Frage: Bisher haben Sie Bibeltexte in Dialektübersetzung oder geistliche Texte in Dialektform herausgebracht.
Ebeling: Das wird auch weiter der Mittelpunkt unserer Arbeit bleiben. Der Ausgangspunkt für unsere Arbeit ist eigentlich das Weihnachtsfest. Dort gab es zunächst kleine Lesungen von Mundarttexten, daraus entstanden ganze Mundartgottesdienste. Die gab es bald auch zu anderen Anlässen. Daraus entwickelte sich die Frage, ob es dazu nicht auch Lieder in Mundart geben sollte. So entstanden zunächst Übersetzungen, dann auch Neukompositionen. Wir haben mittlerweile eine große Sammlung von Kirchenliedern in verschiedensten Mundarten, unter anderem ein Gesangbuch auf Fränkisch, den "fränkischen Psalter".
Frage: Wie arbeiten Sie an so einem Projekt?
Ebeling: Zum Beispiel mit der Fränkischen Bibel haben wir vor eineinhalb Jahren angefangen. Wir wussten von vorneherein, dass es in Franken sehr viele und dazu sehr unterschiedliche Mundartregionen gibt. Die Bibeltexte wurden als Einzelstücke ausgeschrieben und immer in die lokale Variante des Übersetzenden übertragen. Sie sind immer in der Sprache gehalten, die beim Autor zu Hause gesprochen wird. Zudem wird es so geschrieben, wie es gesprochen wird, damit man es nachsprechen kann. Es gibt zwar Versuche, eine Art Hochfränkisch zu entwerfen, aber das klingt immer etwas gekünstelt. Deshalb soll jeder seinen charaktervollen Dialekt zum Tragen zu bringen.
Frage: Welche Rolle spielt die Mundart in der Kirche?
Ebeling: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Die Amtskirchen – egal ob evangelisch oder katholisch – haben andere Themen. Die Mundart ist für die Amtskirchen ganz marginal und wird oft noch belächelt. In der Realität ist es aber so, dass die Menschen in den Gottesdienst kommen, weil sie Gemeinschaft suchen. Gerade im ländlichen Bereich sprechen diese Menschen auch noch ihren Dialekt. Es fühlen sich also viele durch die Mundart angesprochen, weil sie mit der Hochsprache im Gottesdienst nicht viel anfangen können.
Frage: Ein Mundartgottesdienst ist also volksnäher?
Ebeling: Natürlich, der Heilige Geist wirkt bei jedem Menschen und schließt die Herzen auf. Aber wenn er in der Sprache der Mutter oder des Vaters spricht, ist der Zugang einfacher. Ich höre von den Gottesdienstbesuchern oft, dass die Mundart einfach zu Herzen geht oder sie nur im Mundartgottesdienst alles verstehen.
Frage: Immer weniger Menschen sprechen Dialekt, vor allem in den Städten. Kommt Ihre Dialektarbeit da nicht zu spät?
Ebeling: Meine Beobachtung ist, egal ob auf dem Land oder in der Stadt, dass die Umgangssprache noch stark dialektgefärbt ist. Selbst beim Chatten greifen auch junge Leute auf Dialektformen zurück. Vor allem hier bei uns im Süden haben auch viele junge Leute noch eine große Heimatverbundenheit, die auch mit dem Mundartsprechen verbunden ist. Wir haben hier auch in vielen Gemeinden noch aktive Gruppen, die zum Beispiel Mundarttheater spielen.
Frage: Schauen wir in die Zukunft: Wollen Sie durch die Vereinsgründung Ihre Arbeit noch ausbauen?
Ebeling: Wir sind seit Anfang ein ökumenisches Projekt, obwohl unser Ursprung in einer evangelischen Synode in Bayern liegt. Wir würden uns also freuen, wenn wir uns noch weiter vernetzen könnten, einmal ökumenisch und dazu aber auch in alle anderen Mundartregionen im deutschen Sprachraum. Wir möchten gern mehr Menschen einladen, auf uns zuzukommen und mitzumachen. Wir wollen auch im Internet eine Plattform bieten zum Austausch über christliche Mundartarbeit. Wir wollen weiterhin die Scheu vor der Mundart im Gottesdienst nehmen. Erste Früchte gibt es schon: Gerade erst habe ich mitbekommen, dass jemand das Johannesevangelium auf Ostpreußisch übersetzt hat, sogar mit Hörbeispielen. Hoffentlich kommt bald mehr davon.