Wittenberger Schmähplastik "Judensau" wird nicht entfernt
Die als "Judensau" bekannte mittelalterliche Schmähplastik bleibt an der Fassade der evangelischen Stadtkirche Wittenberg. "Nach einem intensiven Austausch und anfänglich kontroversen Diskussionen sind wir am Ende des Prozesses zu der gemeinsamen Überzeugung gelangt, dass die Stätte der Mahnung als Ganzes erhalten bleiben soll", sagte der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates (GKR), Jörg Bielig, am Mittwoch in Wittenberg. Die Entscheidung sei am Vorabend bei einer GKR-Sitzung gefallen. Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, äußerte sich kritisch zu der Entscheidung.
Ende Juli hatte der 2020 vom Gemeindekirchenrat einberufene "Beirat zur Weiterentwicklung der Stätte der Mahnung" die Abnahme der Schmähplastik empfohlen. Man könne sich der Empfehlung jedoch nicht uneingeschränkt anschließen, erklärte der GKR. Die künstlerische Erweiterung durch das 1988 errichtete Bronzedenkmal, der Zeder und dem erklärenden Text auf einer Tafel in unmittelbarer Nähe wandle den beleidigenden und obszönen Charakter der Schmähplastik. Der Ort werde so zu einer Mahnstätte. Der Bundesgerichtshof habe diese Auffassung bereits im Juni dieses Jahres bestätigt.
Zentralratspräsident Schuster kritisiert Entscheidung
In dieser Einheit wendet sich die "Stätte der Mahnung" laut Gemeindekirchenrat als Anklage an die Verursacher aller Formen von Antisemitismus und Antijudaismus. Eine Weiterentwicklung der Mahnstätte solle den Ort direkt mit einbeziehen. In diesem Sinn folge der Gemeindekirchenrat den Empfehlungen des Beirates, "eine bleibende Kontextualisierung durch ein zeitgemäßes pädagogisches Konzept" zu schaffen. Neben der Überarbeitung der Erklärtafel seien weitere Informationen zu Antijudaismus und Antisemitismus in der Kirche geplant.
Zentralratspräsident Schuster erklärte auf Anfrage in Berlin, die derzeitige Erklärtafel in Wittenberg sei nicht dazu geeignet, "die Schmähplastik angemessen einzuordnen und zu erklären". Klare und deutliche Erklärungen seien zwingend notwendig. "Die Geschichte des kirchlichen Antijudaismus lässt sich nicht ungeschehen machen." Daher erwarte er mit Interesse die angekündigte Überarbeitung der Erklärtafel. Auch müsse abgewartet werden, wie die angekündigte "Weiterentwicklung der Mahnstätte" aussehen wird. Insgesamt müsse ein angemessener Umgang mit judenfeindlichen Plastiken gefunden werden, "der über die Überarbeitung eines Textes hinausgeht", verlangte Schuster. (epd)
26.10., 18 Uhr: Ergänzt um Aussagen Schusters.