Renovabis-Chef Schwartz: Synodaler Weg schürt Ängste in Osteuropa
Die Reformdiskussionen auf dem Synodalen Weg in Deutschland sorgen für Vorbehalte in Osteuropa. "Die Auseinandersetzungen etwa in Polen mit der LGBTQ-Szene zeigen, wie groß die Ängste vor diesem Pluralismus sind", sagte der Hauptgeschäftsführer von Renovabis Thomas Schwartz im Interview mit der Herder-Korrespondenz (November-Ausgabe). Das Osteuropa-Hilfswerk der deutschen Katholiken versuche in Gesprächen vor Ort, Ängste vor offenen Diskussionen zu nehmen und zu zeigen, "dass Fragen nicht Antworten sind und die Wünsche und Beschlüsse von Synoden wie dem Synodalen Weg nicht Beschlüsse für die Weltkirche darstellen". Vielmehr seien sie Hinweis, wo die Diskussion der Gläubigen gerade stehe.
Reformthemen wie Laienrechte, Frauenpriestertum und der Umgang mit Macht, seien in Osteuropa "in abschreckender Weise" ein Thema. Dort verstehe man sie als Anfrage an die im Kommunismus verteidigte kirchliche Identität. "Man denke an die Vorbehalte, die die Polnische Bischofskonferenz gegenüber dem Synodalen Weg geäußert hat", sagte Schwartz. Inhaltlich seien die meisten Texte des Synodalen Weges in Osteuropa "überhaupt nicht bekannt".
Im Dialog mit Christen im Osten könne auch Kirche in Deutschland viel lernen
Schwartz berichtete von einer "tiefen Glaubensüberzeugung" in Osteuropa. "Die Menschen haben schon in der kommunistischen Zeit aus dieser Überzeugung heraus, teilweise im Untergrund, ihren Glauben trotz aller Widerstände gelebt. Sie haben dabei nicht so sehr auf die Bischöfe geschaut, sondern auf sich selbst vertraut." Im Dialog mit den Christen im Osten könne auch die Kirche in Deutschland viel lernen.
Mit Blick auf die finanzielle Situation der Kirche in Osteuropa verteidigte Schwartz das deutsche Kirchensteuersystem. In Deutschland spiele durch die Kirchensteuer der Unterschied zwischen armen und reichen Pfarreien, anders als in Osteuropa, keine Rolle: "Arbeitet ein Pfarrer dort in einer wohlhabenden Gemeinde, kann er im Geld schwimmen. Der Kollege in einer ärmeren Pfarrei bekommt entsprechend weniger Gehalt." Das deutsche System sorge dafür, dass die Lebensverhältnisse in den Kirchen gleichwertig seien. Von dem System profitierten auch die kirchlichen Hilfswerke mit über 600 Millionen Euro pro Jahr.
Im Zuge der Missbrauchsprävention vergebe Renovabis Zuwendungen nur noch an Projektpartner, die ein Schutzkonzept vorweisen könnten. Man habe alle Partner verpflichtet, Verdachtsfälle zu melden. "Wir prüfen dann, ob wir das entsprechende Projekt noch weiter fördern können oder nicht", erläuterte der Hauptgeschäftsführer. Damit wolle man Bewusstsein für den Schutz von Minderjährigen schaffen und "dazu beitragen, dass die Menschen in Mittel- und Osteuropa hier sensibler werden".
Seit Kriegsbeginn leiste Renovabis Nothilfe in der Ukraine. "Bisher haben wir in diesem Rahmen 134 Projekte mit über acht Millionen Euro unterstützt", berichtete Schwartz. Darunter seien auch Mittel für 3000 Leichensäcke gewesen: "Der Tod hat direkt auf meinem Schreibtisch gelegen." Vieles, was Renovabis in den vergangenen dreißig Jahren in der Ukraine gefördert und aufgebaut habe, sei durch russische Truppen zerstört worden – beispielsweise das Priesterseminar der Diözese Kiew. Renovabis engagiere sich weiterhin auch in Russland, vor allem mit Stipendien für junge Russinnen und Russen, um "die westliche Kultur kennenzulernen und sich mit ihr auseinanderzusetzen". Durch den Dialog zwischen verschiedenen Kulturen und Konfessionen versuche Renovabis, "eine tragfähige Zivilgesellschaft aufzubauen".
Der Augsburger Priester Thomas Schwartz ist seit 2021 Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis. Von 2005 bis 2014 war er Professor für Angewandte Ethik an der Hochschule Augsburg, seit 2014 Honorarprofessor für Wirtschaftsethik an der Universität Augsburg. Renovabis hat seinen Sitz in Freising und ist das jüngste der katholischen Hilfswerke in Deutschland. 1993 vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und den Bischöfen als Solidaritätsaktion gegründet, förderte es seither rund 25.200 Projekte im Osten Europas mit fast 800 Millionen Euro. Das Geld stammt vor allem aus Spenden deutscher Katholiken, dazu kommen Mittel der Bundesregierung. (ben)