Theologin Reisinger fordert neuen Umgang mit Heiligsprechungen
Die Frankfurter Theologin Doris Reisinger fordert von der katholischen Kirche einen anderen Umgang mit Heiligsprechungen. In einem am Donnerstag veröffentlichten Beitrag für die Zeitschrift "Christ in der Gegenwart" verlangt sie "eine wachsende Menge an Laien beiderlei Geschlechts, denen die Kirche bestätigt, ein heiliges Leben geführt zu haben". Dies müsse "ohne Keuschheitsgelübde und Martyrium" möglich sein.
Der "typische Heilige" ist laut Reisinger bislang "ein weißer europäischer Priester". Es fehlten dagegen die afrikanische Mutter, der asiatische Familienvater, die lateinamerikanische Ärztin und der australische Arbeiter. Solange es einen solchen Mangel gebe, fehle der Kirche etwas Wesentliches. Reisinger äußerte sich im Vorfeld der christlichen Feiertage Allerheiligen und Allerseelen am 1. und 2. November.
Männer und vor allem Priester überrepräsentiert
Reisinger bezog sich auf eine Untersuchung, nach der unter den in den vergangenen 122 Jahren zu Heiligen erklärten Personen Männer und dabei noch einmal Priester mit knapp 90 Prozent überrepräsentiert seien. Reisinger wörtlich: "Dabei besteht die Kirche nicht nur zu 99 Prozent aus solchen ganz normalen Menschen, sondern sie legt seit Jahrzehnten Wert darauf, dass gerade diese Menschen heilig werden können."
Mit Blick auf den aus der Schweiz stammenden Nikolaus von der Flüe fragt Reisinger: "Wäre eine Mutter heiliggesprochen worden, die ihren Mann mit ihren zehn Kindern zurückgelassen hätte, um ein Leben als Einsiedlerin zu führen? Das ist eine Lebensgeschichte, die wohl nur für einen Mann und Vater als vorbildlich gelten kann."
Im Heiligenkalender gebe es "ebenso wenig ein männliches Pendant zu 'Heiligen Jungfrauen' wie ein weibliches Pendant zu männlichen 'Hirten'". Reisinger kritisierte, Sexualität, Mutterschaft, sexuelle Gewalt und Tod durch einen Vergewaltiger seien "anscheinend weibliche Wege zur Heiligkeit". (KNA)